Donnerstag, 7. September 2000

Rechtsextremes Tatmotiv vertuscht

Neonazis ermordeten in Berlin-Pankow Arbeitslosen, Polizei sprach von Raubmord

Ralf Fischer / Junge Welt

Am Abend des 25. Mai wurde der 60jährige Dieter E. in Berlin-Pankow in der Wohnung seiner Lebensgefährtin zusammengeschlagen und ermordet. Dieter E. war arbeitslos und lebte von Sozialhilfe. Die vier Täter, so bestätigte auch die Staatsanwaltschaft, gehören zum rechtsextremen »Kameradschafts-«spektrum. Die 17- bis 21jährigen Neonazis sollen sich, bevor sie bei Dieter E. eindrangen, in einer Wohnung im gleichen Haus aufgehalten haben. Dort sollen sie, so berichtet der ermittelnde Staatsanwalt Sascha Daue, »rechte Sprüche geklopft und gesoffen« haben. Mit der Absicht, »Assis zu klatschen«, verschafften sich die Neonazis Zutritt in die Wohnung und schlugen auf Dieter E. ein. Der 18jährigen René R ermordete den Arbeitslosen dann mit dem Jagdmesser seines Vaters durch einen Stich ins Herz.

Die Polizei war wegen der lauten Musik und »Sieg Heil«- Rufen von Nachbarn alarmiert worden. Doch am nächsten Tag wurde in der Pressemitteilung der Polizei aus dem Neonazimord ein Raubmord. Obwohl die Neoazis zwei Tage später festgenommen wurden und aus ihrer Gesinnung keinen Hehl machten, wurde das politische Tatmotiv von den Behörden verschwiegen. Erst nachdem vor einer Woche die »Berliner Zeitung« darüber berichtete, bestätigte Staatsanwalt Daue den Sachverhalt. »Die Staatsanwaltschaft ist nicht so schnell dabei mit Presseerklärungen. Ich bitte um Verständnis«, sagte er.

Das Antifaschistische Aktionsbündnis III [A3] will mit einer Demonstration am 16. September und mit Öffentlichkeitsarbeit verhindern, daß der Mord an Dieter E. entpolitisiert wird. In seiner Presseerklärung wirft das A3 Polizei und Justiz absichtliche Vertuschung des Tatmotivs vor. Auch wie jetzt von den Medien auf den Mord reagiert wird, sei unbefriedigend. Nachdem das Sommerloch vorbei ist, interessierten sich kaum noch Medien für diesen Mord. Noch vor drei Wochen sei jede kleinste Aktion der Neonazis aufmerksam registriert worden. Heute sei ein von Neonazis Ermordeter schon wieder uninteressant.

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