Freitag, 19. August 2005

Grafitti überall

Mit »Backjump« wird Berlin zur temporären Streetart-Kunstzone

Ralf Fischer / Junge Welt

Kunst außerhalb der Museen und Galerien ist für viele Berliner der pure Vandalismus, der mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden sollte, zum Beispiel auch BGS-Hubschrauber. Neben Bundesinnenmnister Otto Schily kämpft vorallem Karl Hennig von der Pankower CDU an vorderster Front. Er ist Vorsitzender des Vereins »Nofitti«, der es sich einerseits zur Aufgabe gemacht hat ehrenamtlich Graffitis in der Stadt zu entfernen und andererseits massiv in der öffentlichen Debatte gegen die vitale Jugendsubkultur zu agitieren.

Nun schlägt Hennig mal wieder kräftig Alarm, denn heute beginnt das Festival »Backjumps«. In der Montagsausgabe der Berliner Morgenpost durfte Hennig den Umstand, daß das Festival mit 35000 Euro vom Hauptstadtkulturfonds unterstützt wird, auf Seite eins skandalisieren. Mit der Subventionierung des internationalen Streetartfestivals sieht er »alle politischen Bemühungen, die auf null Toleranz gegenüber Graffiti-Straftaten abzielen« konterkariert. Hennig befürchtet, daß durch das Festival ausgelöst eine Welle von Graffiti durch Berlin rollen würde. Fragt sich, ob der arme Mann überhaupt noch Augen im Kopf hat: Die Graffiti-Welle rollt jeden Tag über Berlin, egal, ob dafür extra ein Festival angesagt ist, oder nicht.

So rollte zum Beispiel im Wortsinn am Montag der japanische Künstler Yukinori Yamamura mit seinem aus Holz gezimmerten Graffiti auf Rädern durch die Berliner Straßen. Direkt im Kiez des Herrn Hennig fing Yamamura damit an, seinen Anhänger mit gesägter Grafitti auf einem Podest durch die Straßen zu ziehen und forderte dabei immer wieder die umstehenden Passanten auf, die Holzkonstruktion mit einer Farbe ihrer Wahl zu besprühen. Unter anderem hatte er die Wörter »West« und »Ost« in japanischen Schriftzeichen zu bieten. Er kam auf diese Idee, nachdem er nach eigenem Bekunden in Berlin soviele Grafitti wie nirgendwo sonst bisher in seinem Leben gesehen hatte. Und so zog er von der Schönhauser Allee über den Mauerpark in Richtung Alexanderplatz, um der Streetart den nötigen Auslauf zu gewähren.Überall sorgte er mit dem Kunstgefährt für helle Freude und viel Aufsehen.

Die Organisatoren des »Backjump«-Festivals haben ebenfalls etwas mit Holz vor. Neben einer zweimonatigen Ausstellung im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien soll auf dem Mariannenplatz eine kleine Stadt aus Holz, die »City of Names«, gebaut werden. Die Grafitti-Künstler AKIM und ZAST wollen mit Kollegen, Anwohnern und Kindern Holzhäuser als dreidimensionale Übertragung ihrer Spray-Kunst errichten.

Desweiteren werden im Kreuzberger Wrangelkiez in Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement die Brandwandfassaden von Künstlern neugestaltet. Ihre Arbeiten sind auch in verschiedenen Galerien zu finden. Doch nicht nur dort – überall in der Stadt werden die kreativen Vandalen versuchen, zuzuschlagen. Man sollte die Augen offen halten und immer schön die temporären Kunstzonen suchen. Getreu dem Motto eines CBS-Pieces am nördlichen Berliner S-Bahnring: »Billig, darauf steht ihr doch«.

www.backjumps.org

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen