Donnerstag, 1. August 2013

Deutsches Werk, Fontanes Beitrag.

Die Nationalsozialisten ersetzten zahlreiche slawische Dorfnamen in Brandenburg durch deutsche. Ein Mann in Güterfelde setzt sich für die Rückbenennung seines Ortes ein.

Ralf Fischer / Jungle World


Güterfelde, südwestlich von Berlin als Ortsteil von Stahnsdorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark gelegen, ist ein unscheinbares Dorf. Das 750jährige Ortsjubiläum Mitte August sollte ein denkwürdiges Ereignis werden. Doch ein Rentner trübt mit seiner Renitenz die festliche Stimmung. Peter Ernst, ein sozialdemokratischer Gemeindevertreter, setzt sich für die Rückbenennung des Dorfes ein. 674 Jahre lang hieß es Gütergotz. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1263 unter dem Namen Jutergotz. 1937 benannten die Nationalsozialisten das Dorf um. Der alte slawische beziehungsweise wendische Name wurde durch einen deutschen ersetzt.

Solche Umbenennungen waren Mitte der drei­ßiger Jahre keine Einzelfälle. Viele Ortsnamen in Berlin und Brandenburg sind slawischen Ursprungs, das störte die Nationalsozialisten. Der damalige Oberpräsident der Provinz Mark Brandenburg, Emil Stürtz, befahl im Juni 1937 in einem vertraulichen Schreiben, alle wendischen Namen für Orte, Flüsse und Bäche sofort »durch rein deutsche Namen und Bezeichnungen« zu ersetzen. Dies sei aus »nationalpolitischen Gründen dringend erwünscht«. Aus Nowawes wurde Babelsberg, aus Wendisch-Buchholz wurde Märkisch-Buchholz, Dobrilugk wurde zu Doberlug und Byh­leguhre zu Geroburg. 1938 mussten die Schilderstürmer mit den Umbenennungen aufhören. Im Zuge der Kriegsvorbereitungen erwiesen sich die Namensänderungen als äußerst hinderlich, weil die Ortsangaben auf den vorhandenen Landkarten ihre Gültigkeit verloren.

Einige Orte erhielten nach der Befreiung durch die Alliierten ihre alten Namen zurück. Zunächst war dies auch in Gütergotz so, doch »nur von September bis November 1945«, erinnert sich Peter Ernst. »Dann galt wieder der Nazi-Name«, sagt er enttäuscht. Im Gebiet des heutigen Brandenburg ließen die Nationalsozialisten mindestens 41 Orte umbenennen, weitere acht Ortsnamen wurden eingedeutscht. Sie konnten sich auf alte Ressentiments gegen die sogenannten Wenden stützen, die manchmal auch als Elb- oder Westslawen bezeichnet werden. Schon Martin Luther schimpfte über »wendisch sprechende« Bauern in der Gegend von Wittenberg. Theodor Fontane prägte mit seinem fünfbändigen Werk »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« das Bild der ungebildeten und kulturell zurückgebliebenen Slawen. Mit dem dritten Band beeinflusst Fontane bis heute das Bild der Geschichte der Mark Brandenburg sowie der dortigen slawischen Bevölkerungsgruppen.

In der deutschen Kultur sah Fontane die überlegene: »1180 erschienen die ersten Mönche in der Mark. (…) Wo die Unkultur zu Hause war, hatten die Kulturbringer ihr natürlichstes Feld.« Zu dieser Zeit hatten nicht wenige Slawen bereits den christlichen Glauben angenommen. Sie gründeten Städte wie Drježdźany (Dresden), was so viel wie Sumpf- oder Auwaldbewohner bedeutet, oder urbs Libzi (Leipzig), die Stadt der Linden. Auch der Name Berlin hat slawische Ursprünge. Anders als Fontane es darstellte, trafen deutsche Einwanderer und Siedler keineswegs auf »Unkultur«.

Die im Kreuzzug gegen die Wenden im Jahr 1147 gewonnene Möglichkeit der Ostkolonisation sorgte für die Vermischung der Wenden mit den deutschen Siedlern und somit zur Herausbildung der sogenannten deutschen Neustämme der Brandenburger, Mecklenburger, Pommern und Schlesier. Spätestens im 15. Jahrhundert galten die Wenden zwischen Elbe und Oder als nahezu restlos integriert. Oder anders ausgedrückt, die deutschen Siedler hatten sich in den neu eroberten Gebieten mehr oder weniger assimiliert.
Die Schriften Fontanes prägt dagegen die Vorstellung, dass nur das deutsche Wesen die Slawen zu Kulturmenschen machen könne. So stellte Fontane fest, den Polen fehle »das Konzentrische, während sie exzentrisch waren in jedem Sinne. Dazu die individuelle Freiheit höher achtend als die staatliche Festigung.« Er kam zu der Erkenntnis: »Die Wenden von damals waren wie die Polen von heut.« Die zugewanderten deutschen Heilsbringer mussten also darauf achten, dass die individuelle Freiheit nicht unnötig überhand nahm. Die spätere »Lösung« für die angeblichen Probleme der Polen nahm Fontane vorweg: Nur die Deutschen könnten in Polen langfristig für staatliche Festigung sorgen.

Fontane bedient jene antislawischen und antipolnischen Ressentiments, die später auch dem gebildeten Landser einen Ansporn lieferten, in den sogenannten Ostgebieten mit äußerster Brutalität gegen die als »Untermenschen« definierte Bevölkerung Krieg zu führen. Beispielhaft für die Virulenz der antislawischen Ideologie ist auch das 1926 von dem Geographen und »Siedlungsforscher« Werner Gley veröffentlichte Buch »Die Besiedelung der Mittelmark von der slawischen Einwanderung bis 1624«. Auch Gley greift die Behauptung auf, die Slawen seien kulturlos: »Anstelle der hochentwickelten germanischen Kultur, die die Semnonen als ein Volk mit Sinn für Formengebung und Schönheit geschaffen hatten, trat in slawischer Zeit ein Zustand der Unkultur ein, wie wir ihn uns primitiver kaum denken können. Die Slawen passten sich der rauen Natur des Landes an, ohne ernsthaftere Versuche zu machen, die dürftigen Lebensbedingungen durch harte Arbeit zu verbessern.«

Für sein Bestreben Güterfelde rückzubenennen bekam Peter Ernst zwar ein wenig Zuspruch, aber im Ort selbst ist seine Idee bisher nicht mehrheitsfähig. Ernst, der sich als »geborener Gütergotzer« bezeichnet, kann zwar als Erfolg verbuchen, dass im Rahmen der Feierlichkeiten der alte Name auf der Homepage von Stahnsdorf gleichberechtigt erwähnt wird. Eine tiefere Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit verweigert die brandenburgische Dorfgemeinschaft jedoch.

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