Dienstag, 11. Juli 2000

Aufmarschgebiet Dresden

Neonazis in Sachsen werden offensiver. Bündnis gegen Rechts gegründet

Ralf Fischer / Junge Welt

In diesem Jahr fanden in Dresden schon sechs Aufmärsche der extremen Rechten statt. Während die Verantwortlichen der Stadt nur wenig Aktivitäten gegen die zunehmende Neonazipräsenz entwickeln, organisiert sich mit der Gründung eines Bündnisses gegen rechts Widerstand. Anfang Juni hatte es aus dem Stadtrat eine schriftliche Anfrage an die Stadtverwaltung gegeben. »Wie wertet die Stadt die Tatsache, daß Dresden verstärkt zum Aufmarschgebiet für rechte Gruppierungen geworden ist?« lautete die Frage. Zwar gab es tatsächlich eine Antwort, zufriedenstellend war sie aber nicht: »Versammlungen werden durch den Anmelder/Organisator dort durchgeführt, wo er sich für seine Ziele den größten Erfolg verspricht. ... Es liegen auch keine statistischen Erhebungen anderer Großstädte vor, die eine herausgehobene Rolle der Stadt Dresden als Aufmarschgebiet rechter Gruppen belegen. Eine pauschale Wertung hinsichtlich der in einem bestimmten Zeitraum durchgeführten politischen Aktionen ist deshalb nicht möglich.«

Daß Sachsen, mit über 1200 Mitgliedern, seit Jahren die Hochburg der NPD ist, dürfte auch den Verantwortlichen der Stadt bekannt sein. Auch daß die Kameradschaftsszene in Sachsen als die bestorganisierteste gilt, ist spätestens nach der Razzia am 24. Juni gegen die neofaschistische Gruppierung »Skinheads Sächsische Schweiz« in Pirna und Umgebung bekannt. Auch die Deutsche Stimme, die Parteizeitung der NPD, fand Anfang diesen Jahres im sächsischen Riesa Unterschlupf, nachdem sie im bayerischen Sinning dem antifaschistischen Druck weichen mußte.

Die Kundgebungen der revanchistischen »Interessensgemeinschaft für die Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands (IWG)« am 25.März, 29. April und am 24.Juni und die Aufmärsche von NPD und der »Jungen Landsmannschaft Ostpreußen« (JLO) am 13. Februar und am 1. und 8. Mai in Dresden bewegen die Stadtoberen nicht zum Handeln. Angeführt wird die neue Offensive auf der Straße von der NPD Sachsen. Nach der Austrittswelle von einem Teil der Mitglieder, dem die NPD nicht radikal genug war, will die Partei wieder Profil »zurückerkämpfen«. Ihr Vorsitzender Winfried Petzold verkündete unlängst, daß die sächsische NPD einen Kurswechsel vollziehen werde. Künftig will die NPD wieder auf das bewährte »Kampfmittel« Demonstration zurückgreifen, aus »wahltaktischen Gründen« habe die NPD vor der Landtagswahl auf Demonstrationen verzichtet, so Petzold in der Deutschen Stimme. Den markigen Worten folgen auch weitere Taten, für den 15. Juli bereitet der Kreisverband Dresden der NPD im Rahmen der sogenannten »Aktionswochen des nationalen Widerstandes Sachsen« eine Demonstration unter dem Motto »Gegen die Ausplünderung Deutschlands« in Dresden vor.

Gegen die Entwicklung in Dresden und den angekündigten Naziaufmarsch formiert sich ein »Dresdner Bündnis gegen Rechts«. Das von der Bürgerinitiative »Es gibt nichts Gutes, außer man tut es« initiierte Bündnis wendet sich an alle Bürgerinnen und Bürger, Gewerkschaften, Parteien und Organisationen, um gemeinsam der neonazistischen Hetze und dem Anwachsen der immer bedrohlicheren Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten. Schon über 100 Menschen haben den Aufruf unterzeichnet, auch DGB, SPD und PDS wollen in diesem Bündnis mitwirken.

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