Montag, 27. November 2000

NPD kam nicht durch

Tausende Antifaschisten erzwangen Abbruch des Neonaziaufmarsches in Berlin. 

Ralf Fischer / Junge Welt

Trotz eines Großaufgebotes von über 4 000 Polizei- und BGS- Beamten aus mehreren Bundesländern konnte die NPD ihren Marsch vom Berliner Ostbahnhof zur Friedrichstraße nicht wie geplant durchführen. Die 1 200 NPD-Anhänger wollten mit dem Marsch gegen ein mögliches Verbot der Partei protestieren.

Immer wieder stellten sich Antifaschisten dem Marsch in den Weg, die zunächst von der Polizei, die die Neonazis eskortierte, abgedrängt werden konnten. An einer zur gleichen Zeit stattfindenden Gegenkundgebung der Initiative »Europa ohne Rassismus« vor dem Roten Rathaus nahmen mehrere tausend Menschen teil. Als Redner traten Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, Bundesfamilienministerin Christine Bergmann, mehrere Landespolitiker sowie der Vorsitzende der Berliner Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, auf. Thierse forderte die Berliner auf, ihre Stadt gegen den »rechten Mob« zu schützen und keine NPD-Aufmärsche zu dulden. In seiner Rede kritisierte er auch erneut den von den Unionsparteien im Zusammenhang mit der Debatte über Einwanderung nach Deutschland gebrauchten Begriff »Leitkultur«. Dem schloß sich auch Nachama an. Der Begriff Leitkultur sei nicht mit dem Grundgesetz und der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik vereinbar. Die CDU hatte als einzige der großen Berliner Parteien die Teilnahme an der Kundgebung abgelehnt.

Viele Teilnehmer der Kundgebung am Roten Rathaus und einer weiteren antifaschistischen Versammlung an der Neuen Wache zogen zum Alexanderplatz, um den Neonaziaufmarsch endgültig zu stoppen. Der Polizei gelang es nicht, diese Blockade aufzulösen. Auch auf der geplanten Ausweichroute durch die Grunerstraße kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Antifaschisten und der Polizei, die auch mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen die Demonstranten vorging. Doch abermals gelang es nicht, die Blockade aufzulösen.

Daraufhin beschloß die Polizei, die NPD-Demonstration aufzulösen, da »die Sicherheit der Teilnehmer nicht mehr garantiert« werden könne, wie ein Polizeisprecher erklärte. Die NPD-Anhänger wurden von Polizei und BGS zum S- Bahnhof Alexanderplatz eskortiert und in bereitgestellten Sonderzügen zu ihren Sammelpunkten nach Buch und Schöneberg gebracht. Einige NPD-Anhänger leisteten gegen die Auflösung der Demonstration Widerstand und wurden vorläufig festgenommen.

Am Abend versammelten sich rund tausend Antifaschisten am U-Bahnhof Samariterstraße, um an der alljährlichen Gedenkdemonstration für den 1992 von Neonazis ermordeten Silvio Meier teilzunehmen. Kurz nachdem einige Demonstranten den rechten Szeneladen »Utgard« angegriffen und dabei die Reklameschilder zerstört hatten, griff die Polizei mit Schlagstöcken ein und nahm einzelne Personen fest. Ein Sprecher der Demonstrationsveranstalter erklärte gegenüber jW, daß »diese Prügelorgie eine Frustreaktion der Berliner Polizei« auf die »am Vormittag erlittene Niederlage« gewesen sei.

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