Mittwoch, 11. April 2001

Der Flug des Farbbeutels

Die Erfurter Staatsanwaltschaft macht aus Mücken Elefanten

Ralf Fischer / Junge Welt

In Erfurt flog am 21. Dezember 1999 ein Farbbeutel an eine Wand des Innenministeriums. In Thüringen offenbar Grund genug, um einen Monat später ein Verfahren nach Paragraph 129 StGB zur Bildung einer kriminellen Vereinigungen anzustrengen. Auf Nachfrage teilte die Staatsanwaltschaft Erfurt mit, daß sich die Ermittlungen gegen Unbekannt richten. Gesucht wird dabei eine Gruppe »Autonome DekorateurInnen«, die sich in einem Schreiben zu der Attacke bekannte. Protestiert werden sollte gegen die Durchsuchungen linker Projekte in Berlin und die Gefangennahme von drei Menschen in Berlin und Frankfurt am Main am 19. Dezember 1999. Den Verhafteten wird die Mitgliedschaft in den Revolutionären Zellen vorgeworfen. Daneben wirft die Erfurter Staatsanwaltschaft den »Autonomen DekorateurInnen« vor, im Januar 2000 einen weiteren Anschlag auf das Innenministerium mit einem Molotowcocktail versucht zu haben. Hierzu gibt es kein Bekennerschreiben.

Anfang 2001 bekamen nun fünf Mitglieder des Fachschaftsrates Sozialwesen an der Fachhochschule Erfurt Zeugenvorladungen vom Landeskriminalamt Erfurt zugeschickt. Hintergrund der Vorladungen dürfte sein, daß der Fachschaftsrat dem anonym erscheinenden Erfurter Infoblatt SPUNK, in welchem das Bekennerschreiben der »Autonomen DekorateurInnen« dokumentiert wurde, ein Postfach zur Verfügung stellte.

Nach Vorladung der fünf Zeugen wurde bekannt, daß derzeit nur noch wegen versuchter Brandstiftung sowie Sachbeschädigung ermittelt wird. Ein Vorgehen im Rahmen des Paragraphen 129 ließ sich nicht aufrechterhalten. Da drei der Vorgeladenen jegliche Aussage verweigerten, will Staatsanwalt Grünseisen nun wenigstens ein Ordnungsgeld verhängen, auch mit der Beantragung von Beugehaft wurde gedroht.

Wegen der Ermittlungen hat sich eine Thüringer Anti- Repressionsgruppe (TARG) gegründet, die Unterstützung für die Betroffenen organisieren will.

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