Samstag, 5. Mai 2001

Castor-Transport nun im Osten

Massive Polizeipräsenz in Rheinsberg. Proteste von Atomkraftgegnern erwartet

Ralf Fischer / Junge Welt

Im Laufe der nächsten Woche sollen vier Castor-Behälter vom stillgelegten Atomkraftwerk im brandenburgischen Rheinsberg ins neu errichtete Zwischenlager nach Greifswald/Lubmin transportiert werden. Genau wie beim sogenannten »Atomausstieg« geht es beim Abriß der Atommeiler in Rheinsberg und Greifswald vor allem um eine Weiterführung des weltweiten Atomprogramms.

Bisher wurde noch kein AKW dieser Größenordnung abgerissen. Mit diesem Experiment geht es den beteiligten Konzernen, wie beispielsweise Siemens, darum, neue Technologien und Verfahren zu testen, um sie weltweit vertreiben zu können. Darüber hinaus wird der Bevölkerung die problemlose Kontrollierbarkeit und Beherrschbarkeit der Atomtechnik suggeriert. Der angeblich mögliche Rückbau zur vielzitierten »grünen Wiese« soll nur der Legitimation für den Neubau von AKW in der ganzen Welt dienen.

Darüber hinaus stellt der Transport die Einweihung des nunmehr bundesweit dritten Zwischenlagers in Lubmin dar. Bei Betrachtung der Anlage fällt sofort ins Auge, daß die ausgedehnten Hallen nicht nur den Atommüll aus den abgeschalteten AKW in Rheinsberg und Lubmin aufnehmen sollen. Vielmehr bietet sich hier eine günstige Gelegenheit, den anhaltenden Widerstand in Gorleben und Ahaus bequem zu umschiffen. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn Lubmin liegt direkt am Ostseestrand.

Ostdeutsche Antiatominitiativen befürchten, daß, wenn dieser Castor-Transport »ohne nennenswerten Widerstand durchgezogen werden« kann, über kurz oder lang Lubmin als Alternative zu Gorleben und Ahaus gehandhabt wird. Außerdem entsteht dort gerade ein Hafen, der Transporte auf dem Seeweg, die schlechter zu blockieren sind, ermöglichen würde.

Schon seit zwei Wochen sind zahlreiche Polizeieinheiten in Rheinsberg und Umgebung stationiert. Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm bestätigte, daß rund 5 000 Polizisten an der Transportstrecke im Einsatz sein werden. Neben dem zuständigen Polizeipräsidium Oranienburg haben auch Kommunen Versammlungsverbote verhängt. In Prenzlau und Umgebung verteilten Castor-Gegner ein Flugblatt mit dem Briefkopf der Kreisverwaltung Uckermark, in dem Verhaltensregeln für Castor-Unfälle gegeben werden. Weil das Papier nicht von der Kreisverwaltung stammte, erstattete die Behörde Anzeige. Mehrere Städte und Landkreise Mecklenburg-Vorpommerns erließen Versammlungsverbote.

In Potsdam sagte der innenpolitische Sprecher der CDU- Fraktion, Sven Petke, der 9. Mai sei der »zur Zeit konkrete« Transporttermin. Er werde »in den nächsten Tagen« bestätigt. Auftakt der Gegenaktivitäten soll am 6. Mai eine Demo unter dem Motto »Es gibt keine richtigen Castor-Transporte im falschen Atomausstieg« in Rheinsberg sein. Über 15 ostdeutsche Initiativen rufen zu Protesten und zivilem Ungehorsam gegen diesen Castor-Transport auf. Sollte der Transport früher und unangekündigt fahren, gebe es ein dezentrales Konzept für beide mögliche Routen, so die Initiativen. An mehreren Orten hätten Atomgegner schon erste Aktionen begonnen, teilten sie mit. Für die nächsten Tage seien Kundgebungen und Mahnwachen an mehreren Orten angemeldet.

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