Mittwoch, 22. März 2006

Hass auf politisch Andersdenkende

Haftstrafe für rechte Schlägerin und Bewährung für rechte Schläger

Ralf Fischer / Mut gegen rechte Gewalt

Die ersten Urteilsverkündungen am vergangenen Montag im so genannten Potsdamer Tramüberfallprozess sorgten für ein unerwartet großes Medieninteresse. Die Urteile dagegen waren weniger spektakulär. Zwei zeitgleiche Urteile in Sachsen fielen dagegen überraschend aus.

Dichtes Gedränge herrscht am Montagvormittag vor dem Raum 15 im Landgericht Potsdam. Kamerateams drängeln mit der Polizei und rechten wie linken Prozessbeobachtern um die besten Plätze im Saal. Insgesamt stehen für Besucher nur 27 Plätze zur Verfügung. Beim dem Gedrängel verlieren die 15 extra aus Berlin angereisten Neonazis gleich ihren ersten Kampf des Tages. Nur drei ihrer Kameraden schaffen es in den Gerichtsaal und können die Urteilsverkündung mitverfolgen. Der Rest muss draußen warten. Immer aufmerksam beobachtet von mitgereisten Berliner Polizisten.

Die drei Rechtsextremisten im Gerichtssaal werden ebenso sorgfältig beobachtet. Auch im Gerichtsaal sitzen mitten in den Reihen verteilt Polizisten der Berliner Spezialeinheit PMS. Daneben Journalisten und die Beobachter des antifaschistische Vereins Jugend engagiert in Potsdam e.V. (JEP). Mit Spannung erwarten alle die Urteilsverkündung im Jugendverfahren gegen fünf Tatbeteiligte die an einem der brutalsten Angriffe in Potsdam durch Neonazis in den letzten Jahren beteiligt waren.

Eine Gruppe aus 11 organisierten Neonazis hatte am 3. Juli des vergangenen Jahres zwei Personen brutal zusammengeschlagen und schwer verletzt. Die Gruppe kam gerade von einer politisch motivierten Sauf- und Grillparty als sie aus der Straßenbahn heraus zwei Männer erblickten, wovon ihnen einer als stadtbekannter Antifaschist bekannt war. Die Angreifer zogen die Notbremse, sprangen aus der Bahn heraus und stürzten sich auf ihre Opfer.

Im Laufe des Prozesses gegen die zur Tatzeit noch jugendlichen Angreifer gab die 18-Jährige Sandra C. aus der Neonaziclique vor Gericht zu, als erste mit einer Bierflasche zugeschlagen zu haben. Danach sollen auch andere aus der Gruppe die beiden Opfer getreten und geschlagen haben. Dies bestreiten die Mitangeklagten und der Vorsitzenden Richterin fehlen die Beweise um den männlichen Angeklagten dies nachzuweisen. Zwar gibt es Videoaufnahmen aus der Straßenbahn, die zeigen wie die Angeklagten im Sommer Handschuhe überziehen, aber nicht, wie sie zuschlagen. Nur wenige Zeugen haben den Überfall gesehen, und wenn dann konnten sie nur eine komplett in schwarz gekleidete Meute, aber keine Personen erkennen.

Opfer fordert mehr Engagement

Vor Gericht behaupteten die meisten Angeklagten, dass sie zügig geflüchtet seien, als sie sahen, wie Sandra C. ihre Bierflasche auf dem Kopf von einem der Opfer zerschlug. So blieb der Richterin nichts weiter übrig als die Anklage wegen versuchtem gemeinschaftlicher Mord fallen zu lassen und nur noch wegen zweifacher gefährlicher Körperverletzung zu ermitteln. Die Staatsanwaltschaft hatte - da die Täter bei dem Übergriff den Tod der beiden Opfer billigend in Kauf genommen – versucht die Täter wenigstens wegen versuchtem Mord zu belangen.

In der Urteilsbegründung erklärte die Kammer, dass dieses Motiv jedoch nicht nachweisbar gewesen sei, die Angeklagten hätten aber nicht desto trotz aus "Hass auf politisch Andersdenkende" das Verbrechen begangen. Weshalb die geständige 18-jährige Frau zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt wurde und drei an der Tat beteiligte junge Männer je zwei Jahren auf Bewährung bekamen. Ein weiterer Mann erhielt wegen unterlassener Hilfeleistung nur eine Verwarnung.

Für den Anwalt eines der beiden Opfer war es trotzdem ein "faires und angemessenes Verfahren". Eine Revision seines Nebenklägers sei eher unwahrscheinlich, da "der Mordversuch nicht nachweisbar" war, sagte Anwalt Stephan Martin. Für seinen Mandanten steht fest, dass "durch die welche Strafen auch immer die Motivation der Täter nicht verändert werden kann." Er fordert das Engagement aller zivilgesellschaftlichen Akteure sich kontinuierlicher gegen Rechts zu engagieren, damit neonazistische Gewalt verhindert wird, bevor sie passiert.

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