Eigentlich war Chamberlin Wandji nur auf der Suche nach einer Disko in Cottbus. Doch statt auf der Tanzfläche, verbrachte er die Nacht auf dem Polizeirevier.
Ralf Fischer / Mut gegen rechte Gewalt
Diskobesuche für erkennbar
Nichtdeutsche in Ostdeutschland sind immer ein Glücksspiel. Die
Chance im gewünschten Tanzschuppen Einlass zu erhalten ist äußerst
gering. Hoch dagegen ist nach wie vor die Wahrscheinlichkeit, auf dem
Heimweg von Rechtsextremen abgegriffen zu werden. Ein Beispiel aus
Cottbus.
Eine kurze Notiz mit der Überschrift
„Zwei Afrikaner im Bus geschlagen und getreten“ in der Lausitzer
Rundschau vom 06. März informiert die Leser darüber, dass es am
Samstag zuvor wohl zu einer „Auseinandersetzung zwischen 2
Afrikanern und 2 jungen Deutschen“ in Cottbus gekommen sei, in
deren Verlauf es auch zu Handgreiflichkeiten kam.
Nichts ungewöhnliches, könnte man
denken. Männliche Jugendliche neigen nun mal zu Gewalttätigkeiten
und was soll man sich darüber großartig aufregen, wenn sie unter
einander ihre Kräfte messen. Doch weit gefehlt. Den Lesern wurde in der kurzen
Mitteilung mehr als nur die Tatsache, dass es sich um einen
rassistischen Überfall gehandelt hat verschwiegen. Es wird eine
Normalität suggeriert, wo es für erkennbare Nichtdeutsche keine
Normalität im Sinne der eigenen körperlichen und geistigen
Versehrtheit gibt.
Dass es womöglich eine rassistische
Motivation der jungen Deutschen gab, die zwei Afrikaner anzugreifen
wird sofort in der Pressemeldung dementiert. Und zwar mit einem Satz,
den antirassistische Initiativen und Opferberater in Ostdeutschland
nur noch als Hohn missverstehen können: „Die Polizei geht von
keiner politisch motivierten Tat aus.“
Eindeutig rassistisch motiviert...
Eine Woche nach dem diese Meldung
unwidersprochen in der Regionalpresse veröffentlicht wurde, meldete
sich eines der Opfer mit Hilfe der Antirassistischen Initiative
Berlins zu Wort. Chamberlin Wandji konnte es nicht fassen, dass ein
rassistisch motivierter Angriff auf ihn und seinen Begleiter derart
zu einem Bagatelldelikt verniedlicht wurde. In der auch auf dem linken
Internetportal Indymedia veröffentlichten Erklärung, verweist
Wandji darauf, dass es sich bei der Gruppe, aus der die Angreifer
heraus agierten, um 8 bis 10 Personen in militärischer Kleidung
gehandelt habe.
Für ihn steht es fest, dass sich bei
der Attacke am 04. März 2006 auf ihn „eindeutig um einen
rassistischen Übergriff“ handelte und nicht um eine eskalierte
Streiterei unter jungen Männern.
Odyssee durch die Nacht: Auf der Suche
nach einer Disco
Den ersten Anlauf in eine Tanzlokalität
zu gelangen unternahmen Wandji und sein Begleiter in der Disko
Stuk-Club an der Strandpromenade. Dort wurden die Beiden direkt an
der Eingangstür mit der Begründung abgewiesen, dass nur schwarze
Studierende Einlass in die Disko erhielten, jedoch keine
Asylsuchenden. Wahrlich eine einleuchtenden Begründung.
Doch so schnell lies sich Wandji nicht
den Abend vermiesen. In der Hoffnung bei der nächsten Diskothek
nicht das gleiche Theater erleben zu müssen, versuchte er bei einem
anderen Tanzschuppen eingelassen zu werden: der Disko Stadt Cottbus.
Dort angekommen, durfte Wandji sich
anhören, dass in der Disko Stadt Cottbus allgemein schwarze Menschen
keinen Zutritt hätten. Derart in Rage gebracht, rief er die Polizei
an. Diese konnte ihm aber nicht helfen. Am Telefon wurde ihm gesagt,
dass dies alles ein persönliches Problem des Herrn Wandji sei und
sie sich nicht darum kümmern könnten. Daraufhin entschied Herr Wandji, dass
es wohl sicherer sei, den Heimweg anzutreten...
Endstation Polizeirevier
An der Bushaltestelle Stadtpromenade
stieg er um 0.46 Uhr in den Nachtbus, der ihn nach Hause bringen
sollte. Zufälligerweise traf er im Bus seinen Freund wieder, von dem
er sich im Laufe des Abends getrennt hatte. Dieser war gerade dabei,
den Busfahrer zu fragen, mit welchem Bus er denn in eine andere Disko
gelangen könnte. Hinten im Bus saß derweil eine Gruppe von 8 bis 10
jungen, die nach Aussage von Wandji „sehr militärisch gekleidet
waren“.
Urplötzlich und ohne Vorwarnung kam
ein Mann aus der Gruppe auf die beiden zu und trat den Bekannten von
Wandji so heftig, dass der aus der mittleren Bustür auf die Straße
flog. Herr Wandji versuchte daraufhin dem jungen Mann den Weg zurück
zu seiner Gruppe zu versperren und fragte den Angreifer ob Schwarze
für ihn keine Menschen seien.
In dieser Situation kamen weitere
Personen aus der Gruppe zum Geschehen dazu und hielten Wandji von
hinten fest. Die Gefahr spürend versuchte er sich aus der
Umklammerung mit einer Drehung zu befreien und bekam dabei von einem
aus der Gruppe einen Schlag ins Gesicht versetzt. Zwei Frauen aus der
Gruppe taten sich währenddessen damit hervor den von allen Seiten
umzingelten Asylbewerber anzuschreien und zu beleidigen. Dabei fielen
auch die Worte: „Hey, schwarzer Neger!“.
Herr Wandji bat in dieser Situation den
Busfahrer, die Polizei zu rufen. Doch sein Freund hatte schon die
Polizei benachrichtigt. Nach wenigen Minuten traf die Polizei ein und
nahm zu völligen Verwunderung der beiden Opfer bis auf sie niemanden
mit aufs Revier. Die Angreifer verblieben im Bus.
Verweigerte Erste Hilfe
Auf der Wache mussten Wandji und sein
Freund dann etwa eine Stunde warten, ohne dass etwas geschah. Niemand
kümmerte sich um die Gesichtsverletzungen und eine Anzeige wurde
auch nicht aufgenommen.
Von der Wache aus mussten die beiden
Asylbewerber zur Kriminalpolizei, wo sie noch einmal zwei Stunden
warten mussten, bis sie überhaupt eine Anzeige machen konnten. Auf
die Bitte zu einem Arzt gebracht zu werden, meinten jedoch die
Polizisten, dass es nicht nötig sei. Er könne ja am Montag direkt
zum Arzt gehen. Da Wandji dafür erst einen
Krankenschein beim Sozialamt besorgen musste, kam er erst am
Montagnachmittag in medizinische Behandlung...
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