Dienstag, 21. März 2006

"Hey, schwarzer Neger!"

Eigentlich war Chamberlin Wandji nur auf der Suche nach einer Disko in Cottbus. Doch statt auf der Tanzfläche, verbrachte er die Nacht auf dem Polizeirevier.

Ralf Fischer / Mut gegen rechte Gewalt

Diskobesuche für erkennbar Nichtdeutsche in Ostdeutschland sind immer ein Glücksspiel. Die Chance im gewünschten Tanzschuppen Einlass zu erhalten ist äußerst gering. Hoch dagegen ist nach wie vor die Wahrscheinlichkeit, auf dem Heimweg von Rechtsextremen abgegriffen zu werden. Ein Beispiel aus Cottbus.

Eine kurze Notiz mit der Überschrift „Zwei Afrikaner im Bus geschlagen und getreten“ in der Lausitzer Rundschau vom 06. März informiert die Leser darüber, dass es am Samstag zuvor wohl zu einer „Auseinandersetzung zwischen 2 Afrikanern und 2 jungen Deutschen“ in Cottbus gekommen sei, in deren Verlauf es auch zu Handgreiflichkeiten kam.

Nichts ungewöhnliches, könnte man denken. Männliche Jugendliche neigen nun mal zu Gewalttätigkeiten und was soll man sich darüber großartig aufregen, wenn sie unter einander ihre Kräfte messen. Doch weit gefehlt. Den Lesern wurde in der kurzen Mitteilung mehr als nur die Tatsache, dass es sich um einen rassistischen Überfall gehandelt hat verschwiegen. Es wird eine Normalität suggeriert, wo es für erkennbare Nichtdeutsche keine Normalität im Sinne der eigenen körperlichen und geistigen Versehrtheit gibt.

Dass es womöglich eine rassistische Motivation der jungen Deutschen gab, die zwei Afrikaner anzugreifen wird sofort in der Pressemeldung dementiert. Und zwar mit einem Satz, den antirassistische Initiativen und Opferberater in Ostdeutschland nur noch als Hohn missverstehen können: „Die Polizei geht von keiner politisch motivierten Tat aus.

Eindeutig rassistisch motiviert...

Eine Woche nach dem diese Meldung unwidersprochen in der Regionalpresse veröffentlicht wurde, meldete sich eines der Opfer mit Hilfe der Antirassistischen Initiative Berlins zu Wort. Chamberlin Wandji konnte es nicht fassen, dass ein rassistisch motivierter Angriff auf ihn und seinen Begleiter derart zu einem Bagatelldelikt verniedlicht wurde. In der auch auf dem linken Internetportal Indymedia veröffentlichten Erklärung, verweist Wandji darauf, dass es sich bei der Gruppe, aus der die Angreifer heraus agierten, um 8 bis 10 Personen in militärischer Kleidung gehandelt habe.

Für ihn steht es fest, dass sich bei der Attacke am 04. März 2006 auf ihn „eindeutig um einen rassistischen Übergriff“ handelte und nicht um eine eskalierte Streiterei unter jungen Männern.

Odyssee durch die Nacht: Auf der Suche nach einer Disco

Den ersten Anlauf in eine Tanzlokalität zu gelangen unternahmen Wandji und sein Begleiter in der Disko Stuk-Club an der Strandpromenade. Dort wurden die Beiden direkt an der Eingangstür mit der Begründung abgewiesen, dass nur schwarze Studierende Einlass in die Disko erhielten, jedoch keine Asylsuchenden. Wahrlich eine einleuchtenden Begründung.

Doch so schnell lies sich Wandji nicht den Abend vermiesen. In der Hoffnung bei der nächsten Diskothek nicht das gleiche Theater erleben zu müssen, versuchte er bei einem anderen Tanzschuppen eingelassen zu werden: der Disko Stadt Cottbus.

Dort angekommen, durfte Wandji sich anhören, dass in der Disko Stadt Cottbus allgemein schwarze Menschen keinen Zutritt hätten. Derart in Rage gebracht, rief er die Polizei an. Diese konnte ihm aber nicht helfen. Am Telefon wurde ihm gesagt, dass dies alles ein persönliches Problem des Herrn Wandji sei und sie sich nicht darum kümmern könnten. Daraufhin entschied Herr Wandji, dass es wohl sicherer sei, den Heimweg anzutreten...

Endstation Polizeirevier

An der Bushaltestelle Stadtpromenade stieg er um 0.46 Uhr in den Nachtbus, der ihn nach Hause bringen sollte. Zufälligerweise traf er im Bus seinen Freund wieder, von dem er sich im Laufe des Abends getrennt hatte. Dieser war gerade dabei, den Busfahrer zu fragen, mit welchem Bus er denn in eine andere Disko gelangen könnte. Hinten im Bus saß derweil eine Gruppe von 8 bis 10 jungen, die nach Aussage von Wandji „sehr militärisch gekleidet waren“.

Urplötzlich und ohne Vorwarnung kam ein Mann aus der Gruppe auf die beiden zu und trat den Bekannten von Wandji so heftig, dass der aus der mittleren Bustür auf die Straße flog. Herr Wandji versuchte daraufhin dem jungen Mann den Weg zurück zu seiner Gruppe zu versperren und fragte den Angreifer ob Schwarze für ihn keine Menschen seien.

In dieser Situation kamen weitere Personen aus der Gruppe zum Geschehen dazu und hielten Wandji von hinten fest. Die Gefahr spürend versuchte er sich aus der Umklammerung mit einer Drehung zu befreien und bekam dabei von einem aus der Gruppe einen Schlag ins Gesicht versetzt. Zwei Frauen aus der Gruppe taten sich währenddessen damit hervor den von allen Seiten umzingelten Asylbewerber anzuschreien und zu beleidigen. Dabei fielen auch die Worte: „Hey, schwarzer Neger!“.

Herr Wandji bat in dieser Situation den Busfahrer, die Polizei zu rufen. Doch sein Freund hatte schon die Polizei benachrichtigt. Nach wenigen Minuten traf die Polizei ein und nahm zu völligen Verwunderung der beiden Opfer bis auf sie niemanden mit aufs Revier. Die Angreifer verblieben im Bus.

Verweigerte Erste Hilfe

Auf der Wache mussten Wandji und sein Freund dann etwa eine Stunde warten, ohne dass etwas geschah. Niemand kümmerte sich um die Gesichtsverletzungen und eine Anzeige wurde auch nicht aufgenommen.

Von der Wache aus mussten die beiden Asylbewerber zur Kriminalpolizei, wo sie noch einmal zwei Stunden warten mussten, bis sie überhaupt eine Anzeige machen konnten. Auf die Bitte zu einem Arzt gebracht zu werden, meinten jedoch die Polizisten, dass es nicht nötig sei. Er könne ja am Montag direkt zum Arzt gehen. Da Wandji dafür erst einen Krankenschein beim Sozialamt besorgen musste, kam er erst am Montagnachmittag in medizinische Behandlung...

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