Montag, 17. Januar 2005

Best off

Erben der Scherben sterben

Ralf Fischer / Junge Welt

Berlin, Freitag abend. Acht Männer sitzen in einer Kneipe. Nichts dabei, könnte man meinen. Doch die Namensschilder weisen darauf hin, daß es sich um eine böse Pressekonferenz handelt, nicht um ein gutes Saufgelage. Die acht alten Männer in der Kneipe auf dem Gelände der UFA-Fabrik in Berlin-Tempelhof haben eine gemeinsame politische Vergangenheit, könnte man meinen. Es handelt es sich um ehemalige Musiker von Ton Steine Scherben sowie zwei Brüder des verstorbenen Sängers, Rio Möbius Reiser, heute inoffizielle Nachlaßverwalter, plus Lutz Kerschowski.

Zusammen präsentierten sie eine neue CD der Scherben. Neu? Einzig neu an der CD ist die verbesserte Tonqualität, ansonsten handelt es sich um schon lang bekannte Songs. Eingefleischte Fans freuen sich wohl schon seit dem Bekanntwerden des Release ein Loch in den Arsch. Wie viele sind das überhaupt noch? Außerdem: Gibt es nicht schon genug Best-of-CDs?

R.P.S. Lanrue, ehemaliger Gitarist der Band, scherzte in die illustre Runde: »Gott sei Dank falle ich nicht unter Hartz IV«. Ums Geld geht es also. Später gab er dann zu Protokoll: »Wenn es um Musik geht, ist alles okay«. Alles? Lanrue hat gut Kirschen essen. In einigen Tagen ist er wieder in Portugal und bekommt von der wiedergegründeten David Volksmundproduktion, die jetzt den Möbius-Brüdern gehört, hoffentlich anständige Tantiemen.

Die nach eigener Definition »jungen Grauhaarigen« schienen die Pressekonferenz so ernst zunehmen wie das Publikum. Funky K. Götze brillierte mit der Bemerkung, die Scherben seien »noch in tausend Jahren aktuell«, woraufhin leider niemand im Publikum den Hitlergruß machte. Es brach nur peinliches Gelächter aus. Immerhin wurde auch die vom Podium herunter getätigte Aussage, die Scherben würden der Jugend helfen, ihre eigene Identität zu finden, nur mit Gelächter beantwortet. Überhaupt war Lachen die einzige Methode (die beste Medizin), da halbwegs ungebrannt rauszukommen.

Trotzdem war danach die Stimmung im Arsch. Auf dem Weg nach Hause reimte ich mehr schlecht als recht wild vor mich hin: Und ewig schleichen die Erben/Nichts Neues von den Scherben./Logisch: Wenn Deutsche musizieren,/dann nicht, weil sie brillieren./Sie wollen Identität stiften,/junge Menschen (mit ihrem Scheiß, den sie Musik nennen,) vergiften./Daß sich die deutsche Welle ausbreite/, ich mach mich auf den Weg, suche das Weite.

* Ton Steine Scherben: 18 Songs aus 15 Jahren (David Volksmund Produktion).

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