Emma Goldmans Ausspruch davon, dass wenn sie nicht
tanzen könne, es auch nicht ihre Revolution sei, wird in vielen
Mündern geführt, meist in vulgär-anarchistischen, doch gerade wir,
hedonistische oder kosmopolitische Kommunisten, sollten uns dies
nicht zum Vorwand werden lassen, diese an genau der richtigen Stelle
zugespitzte Formulierung ernst zu nehmen, ja uns zu eigen zu
machen...
Führen wir uns doch mal folgenden
Umstand vor Augen: Als proisraelische Kommunisten, ecken wir schon
ständig an jeder erdenklichen Barriere des im linken Mainstream
verbreiteten Denkens an. Bisher führte dies 'nur' dazu das einige
bekannte Gesichter geoutet wurden, oder - noch sehr selten - auch
körperlich attackiert werden. Interessant dabei ist, dass sich
gerade die sie sich selbst als undogmatischen Linken bezeichnenden
bei dieser Hetzjagd sich am meisten hervorheben...
Die
wirklich revolutionsbegeisterten Deutschen (DKP, SAV, Linksruck, isl,
usw.) würden uns sofort, neben einigen anderen, am nächsten Baum
aufknüpfen, wenn sie es könnten. Aktuell verhindert dies das
Gewaltmonopol des Staates sowie die Unfähigkeit der linksdeutschen
Revoluzzer. Doch weder auf das Eine, noch das Andere, möchte mensch
sich auf Dauer verlassen müssen.
Unsere Perspektive, ist
weder die bolschewistische Revolution oder die derzeitige
Elendsverwaltung, noch die soziale Reform. Doch was bedeutet es
genau, wenn wir sagen, dass wir weder den ersten, noch den zweiten
oder gar den dritten Weg für gangbar halten? Bedeutet es, wie häufig
auf dem linken Internetportal Indymedia behauptet wird, dass wir uns
in den Elfenbeinturm zurückziehen und ein wenig Theorie pauken, weil
wir, laut Verfassungsschutz, den "
Antisemitismus der Deutschen"
als genetischen Defekt analysiert haben? Und damit auch alle
revolutionären Hoffnungen aufgegeben haben?
Eines noch
schnell vorweg, es ist sehr wichtig zu erwähnen, in dem Text folge
ich der Feststellung des französischen Philosophen Vladimir
Jankèlèvitch: "
Schau nicht darauf was sie sagen, schau darauf
was sie tun." die er in seinem Buch '
Das Verzeihen' als eine der
zentralen Formel setzte.
Zuerst das linke Bein nach vorne...
Die veränderten Tanzformationen - Phase 1
Vor 15 Jahren war
die linke Welt zwar nicht mehr in Ordnung, aber für viele noch ein
wenig mehr geordneter als heutzutage. Die neonazistische Klientel auf
der einen und ihre Gegner, die Antifaschisten, auf der anderen Seite
waren leicht am Äußeren zu unterscheiden und die beiderseitige
Rollenaufteilung war auch allen weit und breit bekannt. Die Regeln
waren auf beiden Seiten vermittelt. Die Trennungslinien auch. Doch
was war damals wirklich bekannt? Mehr als Neonazi = Böse und Antifa
= Gut war da selten zu hören...
Theoretisch ging es den
Antifaschisten Anfang der 90er Jahre beim Kampf gegen Rechts sogar
ums Ganze, also den Klassenkampf, die Revolution oder auch wahlweise
der gemeinsame Sturm auf die gesamten Bäckerei. Die Grundlage dieses
Denkfehlers lieferten die alten Mythen der marxistisch-leninistischen
sowie autonomen Ideologie. Die wichtigsten Gralshüter des
verwesenden Erbes der Linken waren einerseits die DKP, andererseits
die AA/BO.
Beide Organisationen waren der Garant für
möglichst flache Inhalte, eine breite antifaschistische
Einheitsfront, die bis in das christliche sowie sozialdemokratische
Milieu reichte, und ästhetisch natürlich das kleine Schwarze. Wer
diese Zeit ein wenig reflektierte, dem war die Konsequenz aus dem
Konstruktionsfehler klar: die bundesweite Organisierung AA/BO sowie
die regionalen Antifa-Gruppen haben sich in den letzten Jahren in
Wohlgefallen aufgelöst weil sie keine inhaltliche Grundlage für
eine Zusammenarbeit mehr sahen, einzig die DKP hinkt noch ein wenig
dieser Entwicklung hinterher. Doch auch da gibt es ja die ersten
positiven Anzeichen für ein Spaltung.
Der wichtigste Faktor
der diese 'Bewegung' damals zusammenhielt, war einzig die Erkenntnis,
das hinter dem notwendigen Anti-Nazi-Kampf die Streitigkeiten um die
richtige Theorie - erst einmal - zurückstehen sollte. Die Defensive
der radikalen Linken, nach dem Anschluss der DDR an die BRD, sollte
durch Geschlossenheit überwunden werden. Doch erwies sich als
fataler Trugschluß. Die Auseinandersetzung um Theorie und Praxis
wurden durch die ständigen Aktionen gegen die Neonazis völlig in
den Hintergrund verdrängt und in die üblichen Theoriezirkel
abgeschoben. Wenn es mal zu Debatten kam, dann sehr sporadisch und
selten über den begrenzten Anti-Nazi-Tellerrand hinweg. (Rassismus,
Innere Sicherheit und 8. Mai)
Dies führte zu einer Fixierung
auf Aktionen, sprich völligen Verblödung innerhalb der
antifaschistischen Szene. Exemplarisches Beispiel dafür war der
Auftritt der Antifaschistischen Aktion Berlin 1999 in Leipzig auf dem
Verstärker-Kongress als ein Vertreter dieser Gruppe anfing die
Thesen von Dimitrof vor dem Publikum wieder aufzuwärmen. Und dies
obwohl schon Mitte der 90er Jahre das BGR, Veranstalter des Kongress,
aus Leipzig gegründet wurde, eine damals wohltuende Entwicklung, und
seine Thesen zum rechten Konsens breit zur Diskussion stellte.
Anfangs fanden die antinationalen Positionen des BGR regen Zuspruch
innerhalb der radikalen Linken, vor allem aber im Osten, weil sie die
logische Weiterentwicklung, aus der Situation im Osten heraus, waren.
PDS-Politiker die ungeniert mit Neonazis die "
kontroverse
Debatte" suchten, und dabei feststellten kaum kontroverses
gefunden zu haben, gab es zu Hauf in der Zone. CDU oder SPD-Politiker
die von "
unseren Jungs" sprachen genauso.
Interessanterweise wurde diese Entwicklung hauptsächlich im
Osten analysiert, obwohl in nicht wenigen Regionen in Westdeutschland
seit Jahrzehnten ähnliche Phänomene zu finden waren (z.B. in
Ortschaften in den Bundesländern Hessen, Bayern oder
Schleswig-Holstein) und immer noch sind. Vermutung: die ideologischen
Scheuklappen waren in der Zonen noch nicht so ausgeprägt wie bei den seit
Jahren im antiimperialistischen Kampf geschulten westdeutschen
Linken.
Doch nicht nur das BGR war einmal fortschrittlich.
Die Antifa Aktion aus Berlin war vor allem in Fragen der
Gedenkpolitik sowie antideutscher Interventionen in der Zone noch
sehr auf der Höhe ihrer Zeit. Transparente wie '
Ehrenburgs willige
Vollstrecker' oder die Unterstützung von antideutschen Demonstration
in der ostdeutschen Provinz zur Abstrafung von ganzen Dorf- oder
Kleinstadtkollektiven (u.a. Gollwitz, Bernsdorf) standen früher auf
dem Programm der nach eigenen Angaben '
größten Antifagruppe aus
Deutschland'. Auch die Ansicht via POP-Antifa, weit verbreitet in der
AAB, mehr Menschen zu motivieren war in den 90er Jahren nicht die
Dümmste. Sie blieb aber nur ein Ansatz modisch nicht mehr um
Jahrzehnte hinterher zu hinken, während theoretisch nur auf einem
recht lauem Niveau diskutiert wurde. Letztendlich brachte die Debatte
kaum etwas, außer der Einsicht, das Subkulturen nicht viel besser
sind, als der Mainstream. Und damit die Möglichkeit auch mal Madonna
neben Quetschenpaua als Soundtrack auf Demonstrationen abspielen zu
können.
Doch wenigsten wurde nach dem Launch des BGRs sowie
den antideutschen Debatten nach dem 8. Mai 1995 gerungen um die
Frage, kann Antifa denn wirklich alles sein, oder ist alles ohne
Antifa nichts? Die Antworten aus Göttingen, die Zentrale der
Bewegung, waren eine bunte Mischung aus allem. Die eh schon wackelige
Einheitsfront sollte nicht per Theoriedebatte gesprengt werden. Somit
war der Bewegung theoretisch Stillstand verordnet worden, während
praktisch genau das Gegenteil lief. Dieser Stillstand implodierte
erwartungsgemäß. Recht spät zwar, wahrscheinlich weil die
Disziplin und der Wunsch auf eine Lösungsmöglichkeit innerhalb der
Struktur bis zu bitteren Ende noch recht hoch in der BO waren.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die meisten der
damaligen Antifa-Aktionen allein der Selbstvergewisserung derer, die
sie begingen, dienten. Wir sind '
die Guten'. Nur einige wenige
Individuen schafften es aus diesem Sumpf ihr eigenes Haupt zu
erheben, um endlich das Gehirn einzuschalten. Meistens sind die, die
es blickten, heute in kleinen antideutschen Gruppen organisiert,
zogen sich ernüchtert ins Private zurück oder sind einfach aus
diesem Land ausgewandert.
Dann das rechte Bein nach links...
Mit der Masse auf dem Weg ins geistige Nirvana - Phase 2
Nach
dem großen Knall, kam die Landung. Und dazwischen, fast wie aus
heiterem Himmel, kam auch noch der Aufstand der Anständigen. Viele,
auch außerhalb der AA/BO organisierte autonome Antifaschisten,
setzen nun ihre Hoffnungen wie selbstverständlich auf die
anschließende Phase der Organisierung. BO kaputt, egal, es geht
weiter wie bisher; das war unter der häufig eingeforderten
antifaschistischen Kontinuität zu verstehen. Die Fortsetzung der
ersten, sozusagen. Die Masse, selbst der organisierten Antifas,
hoffte darauf das ihr das Denken, von der vorher schon als Avantgarde
akzeptierten, M aus Göttingen, sowie der AAB und dem BGR abgenommen
wird. Schon als auf dem zweiten Antifa-Kongreß in Göttingen die
ersten Flyer für ein Abonnement der neuen Zeitung 'von der Bewegung
für die Bewegung' - Phase 2 - verteilt wurden, hätte klar sein
müssen, dass sich die Dummen wieder gefunden hatten, die gleichen
alten Fehler noch einmal zu begehen.
Die Flyer waren neben
den inhaltlichen Angebote auf dem Kongress die Vorboten einer noch
magereren Zeit, die erst noch kommen sollte. Auf dem Kongress
versuchten die drei Powergruppen den Vorschlag an die Frau oder den
Mann zu bringen, dass es vielleicht möglich wäre mit dem Thema
Antiglobalisierung die Krise der Antifa zu überwinden. Widerspruch
rief dieses Ansinnen zwar hervor, doch nicht wie vielleicht zu
erwarten, mit dem Hinweis, bevor das nächste Abenteuer begonnen
wird, wenigstens das zurückliegende ein wenig zu reflektieren,
sondern mit dem Vorschlägen sich doch lieber Themen wie Rassismus
oder Sexismus mehr zuzuwenden. Einige andere wollten einfach nur
'Sand im Getriebe der kapitalistischen Bestie' sein und viele andere
Antifas planten schon wieder die nächste Kampagne.
Die
Entwicklung danach war geprägt von der Debatte um den Sommer der
anständigen Aufständigen. Die DKP-lastige Antifa, kein Stück
reflexionsfähig, verbiss sich in der Annahme endlich in Deutschland
die Neonazis gemeinsam mit der wachgerüttelten Zivilgesellschaft
wegrocken zu können. Doch mit dieser Annahme blieben sie zum Glück
mehr oder weniger allein...
Das BGR, sowie fast alle anderen
autonomen Antifagruppen, positionierte sich kritisch gegenüber der
neuen deutschen Zivilgesellschaft. Hoffnung keimte in der Ex-AA/BO
auf. Doch das verbindende Elemente der gemeinsamen Kritik an der
Zivilgesellschaft fing genau in dem Augenblick an zu bröckeln, als
mehrere Flugzeuge in den USA via antiimperialistischer
Selbstmordkommandos in tödliche Waffen verwandelt wurden und
Tausende Menschen in den Tod rissen. Der 11.September 2001 blieb für
die Antifa nicht ohne Folgen... Der Anschlag auf das World Trade
Center in New York sowie das Verteidigungsministerium in Washington
und der Beginn der zweiten Intifada, waren die Knackpunkte, die
letztendlich überhaupt dazu führten das sich die bekannten
Gruppenzusammenhänge bundesweit nach und nach auflösten (AAB;
Antifa K, Antifa M, Autonome Antifa in Kassel...) und eine Reihe
neuer Antifagruppen auf der Bildfläche auftauchten. (Bad Weather,
A2K2, Mila 26, AANO, ...)
Es ging nicht mehr zusammen, was
jahrelang wie Pech und Schwefel zusammenhing. Der Konsens gegen
Neonazis reichte nicht mehr als Organisierungsgrund aus. Logisch,
wenn 300.000 Menschen, dem Aufruf des Bundeskanzlers Gerhard
Schröders folgen und gegen den anwachsenden Rechtsextremismus
demonstrieren, also Deutschland einig Antifa ist. Es fiel alles auf
einmal zusammen, die extremen Meinungsverschiedenheiten über die
aktuelle außenpolitische Lage, sowie die innenpolitische Situation,
das nun plötzlich alle anständigen Deutschen gegen die Neonazis
waren. Eine Existenzberechtigung für die autonome Antifa schien
nicht mehr gegeben zu sein.
Kurzzeitig gab es dann auch so
etwas wie eine zweite Phase. Wegen der Brüche quer durch die
unterschiedlichen Zusammenhänge mussten sich viele mit ihrem
Selbstverständnis als autonome/r Antifa auseinandersetzen.
Identitäten brachen auf. Alte Kodexe flogen über Bord, endlich ging
es nicht mehr um die sonst übliche Frage ob nun Fleisch oder Tofu,
sondern um theoretische Themen die weit darüber hinaus gingen. Doch
wer hoffte durch Diskussion über ehemalige Selbstverständlichkeiten
endlich den großen Wurf zu landen, wurde schnell enttäuscht; die
meisten älteren Antifaschisten entschieden sich recht fix für die
Methode Schublade.
Es gab auch Ausnahmen. Antifagruppen, die
schon länger sich aus der Aktionsfixierheit gelöst hatten, wie zum
Beispiel die Antifa Aktion in Potsdam (AAPO), machte da weiter, wo
sie bisher schon aktiv waren. Ihre Schwerpunkte lagen auf der
Gedenkpolitik sowie der Kritik der offiziösen, in der Jugendarbeit
und im normalen Abwehrkampf gegen die neonazistischen Strukturen in
ihrer Hometown. Einige andere Gruppen, mit ähnlichem Background,
brauchten noch solche Erfahrungen wie im Dezember 2002 in Kopenhagen
als die antizionistische Linke gegen den EU-Gipfel aufmarschierte.
Die AANO mobilisierte zwar noch zum Gipfel, machte aber eine Woche
vorher einen kompletten Rückzieher, weil sie die antizionistische
Dimension der unterschiedlichen Aktionen in Kopenhagen dann doch noch
wahrnahm. Die Hallenser Antifaschisten, die sich auf den Weg machten,
mussten vor Ort die Prügel von der versammelten antizionistischen
europäischen Linken einstecken. Der Skandal war da. Interessierte
zwar nur wenige, aber in der antifaschistischen Szene im Osten, war
mehr oder weniger klar: Aktionen gegen die EU im europäischen
Maßstab sind zukünftig zu unterlassen.
Es setzte sich immer
mehr durch, dass jahrelang die Theorie völlig außer acht gelassen
wurde, und dementsprechend ein Nachholbedarf besteht. Bisher war die
Strategie der AA/BO, wenn etwas nicht mehr genügend Masse
mobilisierte auf ein neues Thema aufzuspringen, statt die vergangenen
Fehler einmal zu analysieren. Nach dem Aufstand der Anständigen sah
es ein wenig anders aus. Die blinden Flecken Antisemitismus und
Antiamerikanismus innerhalb der Linken und die deutsche Ideologie
allgemein wurden von vielen in dieser Zeit zum ersten Mal wirklich
erkannt und offen benannt. Die Phase 2 machte bei dieser Debatte noch
eine relativ gute Figur. Einzig lustig zu erwähnen wäre der
damalige Standpunkt des BGR, dass die Neonazis nun auch keine
Relevanz mehr haben, und deshalb die Antifa ihre übliche Arbeit
einzustellen hätte. Gut, dass damals nicht alle diesem Blödsinn
folgten...
Doch dies war 2003. Danach folgte 2004. Getreu dem
Motto "Aus dem Auge, aus dem Sinn" fing das BGR letztes
Jahr mit dem selben Anti-EU-Quatsch an wie andere vor zwei Jahren,
zwar nicht auf den üblichen europaweiten Mobilisierungen, aber dafür
innerhalb Deutschlands. Ausgerechnet zum 60. Jahrestag des D-Days
wollten die Leipziger ernsthaft in Berlin gegen die EU, statt gegen
Deutschland, demonstrieren. Zum Glück konnte dies verhindert werden,
und wurde dann im Sommer letztendlich nur eine kleine Demonstration
in Leipzig.
Nach diesem Debakel für das BGR, lag ja
glücklicherweise gleich wieder ein neues Thema vor: Antifa. Als
hätte es all die Debatten der letzten Jahre nicht gegeben, einer vom
Leipziger ThinkTank nicht selber noch Ende September in der Jungle
World erklärt, dass Antifa ausschlafen bedeutet, sprich nicht jeder
Neonaziaktion eine Reaktion entgegenzusetzen wäre, waren sie
allesamt am 03.Oktober 2004, statt auszuschlafen, oder in Erfurt
gegen Deutschland auf die Straße zu gehen, wohl in Connewitz, um ihr
linkes Wehrdorf gegen die Bedrohung durch Christian Worch und 140
seiner besten Kameraden zu beschützen.
Nun ist eigentlich
nur noch die Frage ob die Materie über den Geist siegte, oder es
sich um das alte Phänomen handelt welches immer mit dem Spruch
'links blinken, rechts abbiegen' umschrieben wurde. Aller zwei Jahre,
am Beispiel des BGRs, nun sogar fast jedes Jahr, das Betätigungsfeld
zu verlegen, weil vorher der Zuspruch zu gering war, ist ein Farce
die sich kaum in Worte fassen lässt. Das Schwanken zwischen den
Position führt zu völliger Vernebelung und Anbiederung an die
linksdeutsche Masse. Vorgestern Antirassismus, gestern Europa und
heute die Neonazis zu thematisieren und morgen vielleicht die Feinde
des Westens, kann ja noch okay sein, aber jedesmal zu behaupten, die
neue linksradikale Innovation am Start zu haben, quasi am Puls der
Zeit zu sitzen, macht genau jene erwähnte Farce aus.
Es ist
so, wie die "Genossin Susanne" in einem Beitrag für die
Jungle World auf die Linke gemünzt sagt "
Die Analysen der
deutschen Gesellschaft werden immer wieder vergessen, sobald sich ein
paar tausend deutsche in vermeintlicher Opposition zum Staat auf die
Straße gehen", nur das es ein wenig verändert, der Realität
des BGRs angepasst, so klingen müsste: "
Die Analysen über die
Antifa werden immer wieder vergessen, sobald ein paar Neonazis in ein
Länderparlament einziehen, und/oder sich ein paar tausend Linke
gegen einen Neonaziaufmarsch mobilisieren lassen."
Gut,
nicht nur die Phase2 ist vom Bewegungshopping betroffen. Das beste
Beispiel neben der zweiten Phase gibt derzeit die Jungle World aus
Berlin. Diese sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Gerade sie zeigt
auf den ersten Blick, man braucht sich nur die Titelseiten der
letzten Jahre anschauen, die linke Beliebigkeit in Höchstform.
Vielleicht liegt es ja daran das es Zeitungen sind, die sich in
Deutschland verkaufen müssen. Doch dies ist wirklich kein
vernünftiger Grund mit der Fahne im Wind auf Abonnentenjagd zu
gehen, statt kritische Theorie zu betreiben.
Es sind genauso
die alten linken Mythen, wie das Bewegungshopping, der Massefetisch
und die noch immer währenden kapitalistischen Sachzwänge auf der
einen Seite, aber auch die eigene Borniertheit, Eitelkeit und
Selbstzufriedenheit auf der anderen Seite, die Zeitungsprojekte wie
Jungle World und Phase 2 zu einer unangenehmen Lektüren werden
lassen.
In den Politprojekten BGR und KP Berlin sieht es fast
genauso aus. Beiden geht es nur noch darum Themen aufzugreifen, mit
denen viele Menschen mobilisiert werden können. Womit die Sache auch
beim Namen genannt werden kann: praktischer Opportunismus. Das BGR
schafft es dabei noch am besten als das kritische Gewissen der
Bewegung aufzutreten. Die KP in Berlin hat spätestens seit der
gemeinsam mit Attac und der ALB organisierten
Anti-Hartz-Demonstration am 03. Januar 2005, aber eigentlich schon
seit dem 03. Oktober 2003, ihre ernsthaften Probleme mit der
kritischen Theorie ganz offen zur Schau gestellt.
Ohne
Zweifel, lässt sich feststellen, dass das BGR sowie die K&P sich von
der eigenen Ohnmacht, und dem eigen politischen Umfeld dumm machen
lassen haben, und das Netzwerk der recht kleinen 'antideutsche
Antifa' dies nicht nachmachen sollte... Ohne dabei jetzt in
Revolutionsromantik zu ergehen, aber die Perspektive durch ständiges
Fahne in den Wind halten schneller oder überhaupt zum Kommunismus zu
gelangen ist noch geringer, als einzusehen, dass es, gerade in diesem
Land eine verdammt unrevolutionäre Zeit ist, in der nur eine
einzige Fahne in den Wind gehört...
Und zum Schluß eine
Drehung um 180 Grad...
Jetzt oder nie; kritische Praxis und Theorie -
Phase 3
Der Tanz um das Volk, oder seine linken
Protagonisten, geht immer hin und her; mal wird distanziert kritisch
getanzt, mal eng umschlungen. Es ist immer auch ein Tanz um den
größten Erfolg. Trennen davon können sich nur die wenigsten. Den
Tanz links liegen lassen hielten weder die KP in Berlin, noch das BGR
in Leipzig lange durch. Bleibt die Frage: Warum?
Gerade beim
BGR verwundert die neueste Trendwende; ihre inhaltliche Intervention
vor vier Jahren die Antifa sei nicht mehr der Hebel für
linksradikale Politik, sondern neue Themenfeldern seien jetzt zu
bearbeiten, war ja nicht gerade eine Eintagsfliege. Doch schon im
letzten Jahr bröckelte es in der Argumentation, und vom BGR wurde
die Notbremse gezogen. Erst praktisch auf der Straße am 03. Oktober
in Connewitz, später dann im sächsischen Pirna, dann, um es
plausibel zu machen, theoretisch in der
Phase 2 Ausgabe Nummer 14.
Die ewige Quadratur des Kreises:
Wenn nichts mehr hilft, dann
helfen die Neonazis...
Die alte Leier; je weiter die Antifa
sich versuchte mit anderen Inhalten auseinander zu setzen, die über
das: 'Neonazi, den machen wir platt', hinaus ging, wurden es immer
weniger Menschen die daran teilnahmen. Mit fundierter Kritik an
Deutschland waren in den letzten Jahren nur noch wenige Menschen auf
die Straße zu mobilisieren. Selbst mit der als Kritik an der EU
getarnten Variante funktionierte die erhoffte Mobilisierung nicht.
Doch nun gab es wieder Hoffnung, ein zweiter Aufstand der Anständigen
droht, diesmal aber auch von den damaligen Kritikern mit angeschoben.
Bleibt immer noch die Frage nach dem warum? Es ist noch nicht
ganz so wie im Sommer 2000, doch der damalige Aufstand musste sich ja
auch erst warmlaufen. Diesmal ebenso. Diese Phase wird aber bald
vorbei sein, das Ziel ist nämlich beim zweiten Versuch leichter zu
durchschauen, oder um es deutlicher auszudrücken, es liegt auf der
Hand: Die 60. Jahrestage der Befreiung vom Nationalsozialismus. Und
dies in einer Zeit, wo sich Rot-Grün gerade auf allen diplomatischen
Wegen um einen ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat bemüht. Eine
Zeit also in der das Ausland auf das Inland schaut, weil nicht wenige
glauben in Germany eine Alternative zu den USA zu haben.
Eine
Zeit, 60 Jahre nach dem letzten Versuch die Weltherrschaft an sich zu
reissen, die industrielle Vernichtung der JüdInnen zu betreiben,
sowie viele weitere Schweinereien, jenseits jeglicher Menschlichkeit
zu begehen.
Einer Zeit in der sich das Inland normalisiert
fühlt, seinen Opfern von der so genannten Vertreibung sowie von den
alliierten Bombenattacken vor 60 Jahren offiziell betrauert, und
dementsprechend über 60% ihr Unbehagen auf JüdInnen und Israel
offen zum Ausdruck bringen und wenigsten 50% die dies ähnlich bei
MigrantInnen sehen.
Wir sind eben wer, und kommen nach dem
Abzug der Alliierten langsam aber sicher wieder zu uns. Modernisiert
und mit neuen Ideen, aber weiterhin den alten Idealen verbunden. Eine
logische Konsequenz aus dieser Entwicklung kann nur sein, dass die
Nostalgie, dass wir einmal tausende Antifaschisten mobilisieren
konnten, schleunigst weg muss. Wurzen liegt fast 10 Jahre zurück.
Eine solche Mobilisierung aus autonomen Antifakreisen heraus wird es
nach dem 11. September 2001, dem Irakkrieg sowie der innerlinken
Nahostdebatte nicht mehr geben. Und, um mit dem regierenden
Bürgermeister meiner Mutterstadt zu sprechen, das ist auch gut so.
Was als nicht 'gut' zu bezeichnen wäre, ist die braune
Entwicklung in Deutschland. Doch verwundern sollte sie auch nicht.
Nach einem rechten Konsens muss eben nicht zwangsläufig ein linker
kommen, auch wenn Rot-Grün die Bundesregierung stellt, sondern es
kann auch ein neonationalsozialistischer Konsens werden.
Das
Fazit daraus wäre, die bürgerliche Gesellschaft, wird immer mehr
eine Schimäre in Deutschland, vor allem aber in der Zone. Dies muss
man vor Augen haben, bevor man agiert... Denn Antifa ist in einem
ganz anderen Sinne, der Kampf ums Ganze, nämlich der Kampf um die Rückgewinnung der Möglichkeit eine soziale
Revolution in diesem Land überhaupt machen zu können. Der Kampf
gegen die Träger der deutschen Ideologie war anfangs einer gegen die
Neonazis, nun, nach vielen Debatten wächst die Erkenntnis, dass es
vor allem ein Kampf gegen den ganzen deutschen Mob, auch dem linken,
sein muss, um überhaupt Sinn zu machen..
Die Ironie der
Geschichte ist, dass viele Antifaschisten in den 90er Jahren
unbewusst das Richtige gemacht haben, und als ihnen dies bewusst
wurde, schnell umgeschwenkt sind, um das Falsche zu machen. Unter
anderem deshalb ist der rechte Konsens in der Zwischenzeit ein
deutscher Konsens gegen das Amerika des George W. Bush und das Israel
von Ariel Sharon geworden. Dieser zieht sich von radikal links bis
extrem rechts und auf der Straße bei unzähligen
Friedensdemonstrationen in der Zone wurde er sogar schon erfolgreich
erprobt.
Die Antwort auf diese Entwicklung kann nur Kritik
und Praxis, aber nicht mehr KP, heißen. Einer Kritik die zuvörderst
die alte Praxis schonungslos seziert um überhaupt wieder zu einer
neuen zu kommen. Das hat aber leider kaum Zeit. In den nächsten
Monaten und Tagen fängt die neue deutsche Welle des Gedenken an die
Befreiung und einher gehend die Versuche damit politische Kapital für
das 'neue alte' Deutschland zu schlagen. Kanzler Schröder, sein
Pinguin Fischer und das Feuilleton werden schon für die richtige
Stimmung sorgen.
Es gibt nur wenige die diese Stimmung
wirklich vermiesen können. Wir und die Neonazis sind auf jeden Fall
zwei davon. (Ein möglicher Irankrieg wäre der Dritte.) Die Neonazis
deshalb weil sie der weltweiten Öffentlichkeit, die ja interessiert
in jenen Tagen zuschaut, deutlich zeigen was hier in dem Land noch so
alles auf die Menschheit wartet. Deshalb wird jetzt schon vorgesorgt.
Im konservativen Berliner Lokalfernsehen RBB wurden am letzten
Samstag zum Beispiel schon wild getrommelt um am 8. Mai 2005, Tag der
Befreiung, den angemeldeten Neonaziaufmarsch am Brandenburger Tor zu
verhindern. Diese Schande, Neonazis an diesem Tag unter dem
Wahrzeichen der Stadt, muss verhindert werden, tönten einhellig der
Trendsetter Ströbele, Sozialdemokraten alà Schily sowie nicht
wenige Journalisten.
Wir können aber auch unseren Beitrag
leisten, und damit meine ich nicht, dass wir uns in die Ketten der
BürgerInnen am 8. Mai in Berlin einreihen sollten. Wir sollten den
deutschen Gedenkreigen stören wo wir nur können, und Dresden im
Februar kann dabei nur der Anfang sein, sowie die Erinnerung an die
Opfer des Nationalsozialismus wach halten. Unsere Kritik an
Deutschland kann derzeit mit recht geringem Aufwand durch
spektakuläre Protestaktionen gerade bei den offiziellen Anlässen
deutlich gemacht werden.
Die breite Öffentlichkeit, selbst
die linke, wird dabei niemals auf unserer Seite stehen, dass war sie
auch immer nur solange, wie wir auch etwas für die Szene, die
Kommune oder/und den Staat geleistet, sprich nur die störenden
Neonazis bekämpft und damit die linke Einheitsfront und den
deutschen Staat in ihren ureigenen Vorhaben unterstützt, haben. Doch
dies sollte nicht weiter stören, zwei wichtige Erkenntnisse bleiben:
Jugendarbeit, zwar immer der Konjunktur des Themas unterworfen, war
das Erfolgsprojekt der Antifa und sollte in Zukunft nicht komplett
aufgegeben werden.
Die zweite wichtige Erkenntnis war:
Kritische Theorie und Antifa: Man kann das eine tun, ohne das andere
zu lassen. Dies sollte für die Zukunft zumindest in unseren
Merkheftchen stehen. Dabei können gerne neue Fehler gemacht werden,
aber dürfen dabei die alten nicht wiederholen. Doch, wie gesagt,
dazu müssen wir diese auch kennen...
Zum Abschluß ein
Blick in die etwas weitere Zukunft: Wie die GenossInnen von der
Gruppe Bricolage aus Hamburg in der letzten Jungle World forderten,
führt kein Weg an der Organisierung kosmopolitischer Kommunistinnen
vorbei. Genauso nicht wie an der Suche nach neuen Bündnispartner.
Spontan fallen einem dabei immer nur ein Beispiel ein: Die Presse im
Ausland.
Und da das alles vielleicht für die Katz sein kann,
dies sollte wirklich dringend eingerechnet werden, müssen natürlich
auch Fluchtmöglichkeiten ausgebaut werden. Kontakte ins
nichtbefreundete Ausland wie mensch als Zonenbewohner sagen würde...