Die verfolgte Unschuld vom Lande.
Es brennt in Kleinmachnow. Wen juckt
das? Es betrifft eine im Umbau befindliche Villa. So what! Aber: Der
Besitzer ist B-prominent. Weshalb die Meldung vom Brand in der lokalen
Presse für einigen Wirbel sorgt. Und so darf der Berliner Rapper Bushido
in aller Öffentlichkeit erklären: „Die Polizei hat mir definitiv
gesagt, dass es sich um Brandstiftung handelt. Es hätte kein Kabelbrand
sein können, da kein Strom im Haus ist, auch ein Blitzschlag kann
ausgeschlossen werden.“ Ganz geknickt resümiert er: „Das ist für mich
schon eine wirklich trauriges Finale in der Kleinmachnower Tragödie.“
Als erste Schlussfolgerung drängt sich
auf: Bushido und Brandenburg werden in Zukunft wohl keine guten Freunde
mehr. Schade eigentlich, dabei hatten sich die märkischen Wutbürger so
viel Mühe gegeben. Aber ihre Pflege regionalen Brauchtums missverstand
er als Ablehnung: „Ich habe Pakete mit Kot aus der Nachbarschaft
erhalten, die an mich adressiert waren. Das ist kein Einzelfall, neun
von zehn Paketen hängen am Montagmorgen am Bauzaun. Da ist Scheiße
drin.“ Eigentlich eine altbekannte Herausforderung in diesem Bundesland.
Hier wurden Fremde stets freundlich aufgenommen. Solche
jahrhundertealten Rituale ähneln den Aufnahmeprüfungen von Jugendcliquen
oder Mafiakreisen. Damit müsste sich Bushido an und für sich bestens
auskennen.
Geschenkt wird einem hierzulande
nichts. Das war früher das Credo von Bushido. Er allein gegen den Rest
der Mutterficker-Welt. Ein millionenfacher Verkaufsschlager. Das wollten
die Kids hören. Und nun so etwas: „Dass sich eine Gemeinde gegen
jemanden verbündet, kenne ich nur bei Sexualstraftätern. Das kann ich ja
sogar noch fast nachvollziehen, aber irgendwo müssen die auch leben.
Was habe ich denn irgendjemandem auf der Welt getan?" Gute Frage.
Möglicherweise hat Klaus Wowereit die dazu passende Antwort parat. Alice
Schwarzer jedenfalls könnte mit diesem Thema eine komplette
Abendsendung füllen. Allein. Ohne Moderation.
Es ist ein Jammer. Keinen Respekt zollt
Bushido seinen eigenen zivilisatorischen Höchstleistungen, dem Import
von urbanen Kulturtechniken und der eintönigen Ficksprache bis in den
letzten Winkel des Zonenrandgebietes. „Da sind dann Graffiti an den
Wänden auf der Baustelle mit ’Fick dich Bushido’, die Holzfenster wurden
kaputt getreten.“ Früher hätte der Rapper solch einen komplexen Diss
kurz und bündig „Fick Dich selbst, Du Hund!“ entgegnet. Heute fällt
ihm dazu nichts mehr ein. „Ich finde da keine Worte mehr für, ich habe
normalerweise einen Mund, kann mich mit Worten zur Wehr setzen.“ Das ist
der magische Satz auf den Gymnasiallehrer, Tugend- bzw. Jugendwächter
sowie all seine billigen Kopien seit einer gefühlten Ewigkeit gewartet
haben.
Nur bloß ja keine voreilige Freude,
soviel ist sicher, Bushido hat auf seiner abenteuerlichen Suche schon
wieder das eine oder andere Wort gefunden. Er ist auf dem Weg der
Besserung. Ob er sich aber jemals von dem Schock komplett erholt bleibt
weiterhin offen. „Ich hätte mir das in Kleinmachnow im Leben nicht
vorstellen können. Hätten Sie mir vor zwei Jahren gesagt, dass es so
kommt, ich hätte Sie als größten Spinner der Zeitgeschichte nach Hause
geschickt.“ Krieg ist dort wo Frieden herrscht. Wer seine Ruhe im
ländlichen Idyll sucht, der findet zielsicher Mord- und Totschlag. Das
kennt man doch aus dem Fernsehen: Nachbarschaftskrieg ist die
Fortsetzung des Krieges in individualisierter Form. Oder etwa nicht?
Brandenburg hat so seine Eigenarten.
Schick ich dir meine Exkremente, schenkst Du mir deine Aufmerksamkeit.
In lieblosen Zeiten wie diesen drücken emotional verstümmelte Menschen
derart ihre Zuneigung aus. „Im Mittelalter hat man Hexen verbrannt. Das
hier kommt mir vor wie eine Hexenjagd“, klagt Bushido völlig enttäuscht.
Mittlerweile fühlt sich der Hexer nicht nur von der Polizei gegängelt.
Die verfolgte Unschuld aus der Großstadt erklärt Brandenburg zur Mission
Impossible? Alles ein großes Missverständnis! Die Schikanen waren ein
Ausdruck zutiefst empfundener Zuneigung. Fick dich heißt neudeutsch ich
begehre dich. Es ist die höfliche formulierte Frage: „Darf ich Dir beim
Onanieren zu schauen?“ Ein übliches Balzgebahren der jugendlichen
Ureinwohner. Ähnlich dem Battlerap. Ein Diss direkt ins Herz, von
Teenager zu Teenager. Eine Liebeserklärung auf brandenburgisch.
Randnotiz zum Schluß: In Kleinmachnow
verbringt der werte Innengeneral Jörg Schönbohm seinen Lebensabend und
bis zu seiner endgültigen Pensionierung hinter schwedischen Gardinen
wohnte der Chef-Antisemit Horst Mahler im Ort.