Mittwoch, 20. August 2008

Gut gebrüllt, Dog

Von bissigen Pitbulls und niedlichen Schoßhündchen: Berliner Rapper, bunt und in Farbe

Ralf Fischer / Junge Welt

In Berlin ist territorial alles ganz sauber geregelt. Während die Schwerenöter und Straßenköter in Bezirken wie Wedding, Neukölln oder Kreuzberg ihrem ureigenen Trieb nachgehen, sitzen in Charlottenburg oder Zehlendorf die Königsrasse und der Zwergpudel brav bei Kaffee und Hundekuchen. Doch all diese Kläffer, egal wie groß ihre Schnauze, oder wie dreckig ihr Fell ist, sind scharf wie ein Pitbull, scharf darauf, endlich aus dem urbanen Moloch herauszuragen, wenigstens einmal in dieser lauten Stadt etwas zu sagen haben, was mehr als nur das eigene Rudel zur Kenntnis nimmt. Als äußerst erfolgversprechend hat sich in Berliner Szenekreisen das lautstarke Bellen auf Stakkato-Beat in holpriger Reimform etabliert, in Fachkreisen auch Deutschrap genannt.

Vor drei Jahren versammelten Henrik Regel und Stephan von Gumpert die bekanntesten Berliner Rappromenadenmischungen für Einzelporträts vor der Kamera, und heraus kam eine Dokumentar-DVD, die nicht nur in Berliner Hundezüchterkreisen Kultstatus genießt. Angespornt durch das enorm positive Feedback der ersten DVD wurde den beiden Machern von Mantikor Entertainment recht schnell klar, daß eine Fortsetzung wohl kaum ein finanzieller Reinfall wird. Eigentlich sollte die Rap City Berlin DVD 2 genau ein Jahr nach der ersten Compilation veröffentlicht werden, doch die produktionsbedingten Verzögerungen addierten sich, so daß die DVD erst jetzt im Handel erhältlich ist. Gut Ding will Weile haben. Herausgekommen ist eine detailgetreue Momentaufnahme des Berliner Raps, über sieben Stunden lang erzählen 180 Berliner Rapacts auf zwei DVDs was sie und ihre Freunde dazu animiert hat, ein Mikrofon in die Hand zu nehmen oder Beats auf dem Computer zu programmieren.

Auf der ersten DVD werden die relevanten Labels und ihre Künstler von bissigen Pitbulls bis hin zu zahmen Schoßhündchen porträtiert. Es wird ein gelungener Überblick in die unterschiedlichen Anstrengungen, endlich berühmt zu werden, und den vermeintlichen Gründen, warum es bisher noch nicht geklappt hat, gewährt. Dem Betrachter bleibt dabei selbst überlassen, entweder alphabetisch die verschiedenen Labels abzuklappern, über den Stadtplan von Bezirk zu Bezirk zu springen oder sich jene herauszupicken, die er persönlich einfach gut findet. Es wurde versucht, die Berliner Rapszene in ihrer Breite komplett vorzustellen, aber natürlich konnte nicht jede x-beliebige Nachwuchstöle ihre drei Minuten Ruhm bekommen. Außerdem fehlen auch zwei der bekanntesten Berliner Rapper komplett im Programm; neben Bass Sultan Hengzt und seinem Label Murderbass werden die Fans vor allem BRAVO-Rapper Bushido vermissen. Um ihn auf dem heimischen Bildschirm zu erleben, muß man entweder The Dome regelmäßig schauen oder eine seiner Label-DVDs im Laden klauen.

Auf der zweiten DVD sind die äußerst gelungenen Bonusfilme versammelt, neben den Hausbesuchen bei Atzenkeeper MC Bogy, dem Tourbus der Optik Crew und den neuen Lieblingen des Games K.I.Z. kann man sich auf einen extravaganten Auftritt von DJ Tomekk freuen. Getreu dem Motto von MC Bogy »Die Leute wollen ’ne Freakshow sehen« – torkelt Tomekk am Vormittag schon durch sein Haus und lädt die verdutzten Filmemacher zum gemeinsamen Komasaufen ein. In den weiteren Kurzfilmen geht es u.a. um die szenetypischen Themen Drogen, Knast oder Tattoos. Beim Thema Indizierungen gibt sich sogar die in der Rapszene viel gescholtene Politikerin Monika Griefahn (SPD) die Ehre, ihren Senf zur äußerst zähen Indizierungsdebatte zu geben. Daß der weder für Pitbulls geeignet ist noch ganz allgemein als wohlschmeckend zu bezeichnen wäre, dürfte als bekannt vorausgesetzt werden. Trotzdem ist es eine Bereicherung, der selbsternannten Hundeflüsterin zwischen all den um Aufmerksamkeit bettelnden Windhunden zu lauschen, wenn sie mal wieder darauf hinweist, daß es an der Zeit wäre, den Berliner Hundestall ein wenig auszumisten. Man kennt das ja schon länger solange die Hundescheiße auf der Straße bleibt, ist meistens alles okay, nur zu Hause, am eigenen Schuh und damit unweigerlich in den eigenen vier Wänden, da will sie partout keiner haben…

* Rap City Berlin II, Deutschland 2008, Regie: Stephan von Gumpert, Henrik Regel, Jan M. Scholz, Lars Tendelmann. 400 Min. (Mantikor Entertainment)