Dienstag, 17. Januar 2023

Schniegli Normali. Rap in der DDR

Dank US-amerikanischer Radiosender und westdeutscher Fernsehsendungen schwappten die neuesten Klänge aus den Vereinigten Staaten Mitte der 80er Jahre auch in den besonders gut abgeschirmten östlichen Teil Deutschlands. Die von einem staatlichen Konformitätsdruck gebeutelte Jugend in der DDR gelangte beinahe gleichzeitig mit ihren Brüdern und Schwestern im Westen an die ersten popkulturellen Produkte der neuen Musikrichtung.

Jedoch galt die Betätigung als Sprüher oder Rapper für die Staatsmacht als äußerst suspekt. Nur beim Breakdance wich die harsche Reaktion des Obrigkeitsstaats in den ersten Jahren schnell einer integrativen Einbindung als Tanzkunst in das enge Korsett der staatlichen Kulturproduktion und die zentral koordinierte Jugendarbeit. Rebellisch und gleichzeitig konformistisch war Hip-Hop in der DDR ein Jugendphänomen, welches die Sehnsucht nach Freiheit ebenso zum Ausdruck brachte wie die unglaubliche Kreativität der vom Westen abgeschirmten Bevölkerung.

Wie selbstverständlich waren die amerikanischen Implikationen des Glücksversprechens mit der Sehnsucht nach einer Flucht in den Westen gekoppelt, konnten sich öffentlich aber nur im Rahmen der staatlich verordneten und überwachten Freizeitgestaltung ausdrücken. Dieser Widerspruch wurde von den staatlichen Organen nur durch die Erzählung, wonach Hip-Hop ein Ausdruck der unterdrückten schwarzen Massen in den USA sei, halbwegs übertüncht.

Die Darstellung der Armenviertel in den US-amerikanischen Großstädten in Filmen wie „Wildstyle“ und „Beatstreet“ schreckten aber nicht, wie von der Parteiführung geplant, die Jugend ab, vielmehr faszinierte sie die bunten Turnschuhen wie die individuelle Freiheit der Darstellenden gleichermaßen.

Der freie Journalist Ralf Fischer spannt in seinem Vortrag einen Bogen von den popkulturellen Anfängen des Raps in der DDR über die Diskrepanz zwischen rebellischem und konformistischem Jugendphänomen bis hin zu den ersten Begegnungen zwischen ost- und westdeutschen Vertretern der Subkultur.



Termine:

4. März 2023 / 20 Uhr / Druckluft Oberhausen
9. März
2023 / 20 Uhr / Bajszel Berlin