Dienstag, 27. Oktober 2020

Ohne Mühe

Der von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) neu berufene Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (UEM) wurde in der breiten Öffentlichkeit als notwendiger erster Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Die Einrichtung des Gremiums ist laut Bundesinnenministerium „eine Reaktion auf rassistische und muslimfeindliche Vorfälle sowie terroristische Anschläge bzw. Anschlagsplanungen der vergangenen Monate“. Die Bundesregierung will mit der Installierung des Kreises zeigen, dass sie die wachsenden Sorgen und Ängste von Menschen ernst nimmt, die von muslimfeindlichem Hass, Anfeindungen und Übergriffen betroffen sind.

Insgesamt zwölf Mitglieder wurden im vergangenen Monat offiziell in den Kreis ernannt. Dabei soll es sich laut Bundesinnenministerium um Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis, die eine breite fachliche Expertise zu Aspekten und Auswirkungen und der Prävention von Muslimfeindlichkeit in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen repräsentieren, handeln. Unter anderem wurden Saba-Nur Cheema von der Bildungsstätte Anne Frank, Prof. Dr. Iman Attia von der Alice Salomon Hochschule Berlin und Dr. Yasemin Shooman vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) berufen. Vor allem aber die Ernennung von Nina Mühe (CLAIM) in das Gremium rief jedoch größere Kritik hervor.


Die Claim Allianz ist durchsetzt mit fragwürdigen Organisationen, einige davon aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbruderschaft. Wer dort verantwortlich tätig ist, möchte neben der Muslimfeindlichkeit auch die sogenannte Islamfeindlichkeit zu einer Form von Extremismus umdeuten“, erklärt die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall. Die Sozialdemokratin, befürchtet, dass die Personalie Mühe darauf hindeutet, dass sich im Gremium eine Strömung konstituieren könnte, die nicht zwischen Ideologiekritik und Menschenfeindlichkeit unterscheidet.

Mühe gilt als hervorragend innerhalb der Zivilgesellschaft vernetzt. Als Projektleiterin ist sie das Aushängeschild von CLAIM - Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit und im Themenbereich „Muslimen in Deutschland und Europa“ als Stichwortgeberin über die Landesgrenzen hinaus prägend. So ist sie als Diversity Trainerin im „Belieforama“-Programm zu Religiöser Vielfalt und Antidiskriminierung der Organisation Ceji in Brüssel aktiv und arbeitete an dem Projekt ‚Alternative Voices on Integration’ des Institute of Race Relations in London mit. Von 2010 bis 2013 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Europa Universität Viadrina für das EU-Forschungsprojekt „ACCEPT Pluralism“ tätig.

Die Ethnologin Mühe war aber auch in dem vom Berliner Verfassungsschutz beobachteten Verein Inssan aktiv. Der Inlandsgeheimdienst zählte Inssan zu einer Reihe von Vereinen die zur Islamischen Gemeinschaft in Deutschland (IGD), der mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft in Deutschland, enge Verbindungen hält. Die Hintergründe des Vereins recherchierte der Deutschland-Korrespondent des New Yorker Wall Street Journals und Pulitzer-Preisträger Ian Johnson. „Nach unseren Recherchen müssen wir davon ausgehen, dass Inssan das Ziel verfolgt, eine konservative, antiintegrative Form des Islams zu fördern, die mit der Islamauffassung der Muslimbruderschaft übereinstimmt“, erklärte Johnson schon 2008 gegenüber dem Tagesspiegel.

Um organisatorische und inhaltliche Verbindungen zu verschleiern, veranstalten die Aktivisten aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbrüder ein veritables Versteckspiel. Mühe, die auch als Projektleiterin der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus das Modellprojekt „Akteure der Jugendbildung stärken – Jugendliche vor Radikalisierung schützen“ leitete, lies 2006 kurz vor ihrem Marsch durch die Institutionen verbreiten, dass sie eine „ehemalige Mitarbeiterin von Inssan e.V.sei.

Konterkariert wurde ihre Aussage kurz darauf in dem Buch „Kulturelle Anpassungsleistungen muslimischer Jugendlicher in Deutschland unter Wahrung der religiösen Identität“ von Barbara John (CDU). Die ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats verweist in ihrer Publikation auf die Ergebnisse „einer schriftlichen Befragung der Autorin vom Juni 2007“. Als Interviewpartner gibt die Christdemokratin „Chaban Salih und Nina Mühe“ an, die sie als „Mitglieder im Verein Inssanausweist.


Screenshot aus "Kulturelle Anpassungsleistungen muslimischer Jugendlicher in Deutschland unter Wahrung der religiösen Identität" von Barbara John

Das nun vermehrt Frauen aus dem Aktionsgeflecht der Muslimbrüder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden ist keine deutsche Spezifika“, erklärt Christian Mors von der Zeitschrift tapis. Diese Strategie käme vor allem in westlichen Ländern zum Einsatz. „Prominent werden Testimonials wie Mühe platziert um in der westlichen Welt als Ansprechpartner und offizieller Repräsentant der muslimischen Gemeinschaft Einfluss auf die Politik zu nehmen“. Die Tatsache, dass es die Ethnologin Mühe nun in den Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit geschafft hat, verdeutlicht laut Mors die erfolgreiche Wühlarbeit der letzten Jahrzehnte durch Akteure aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft.

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