HipHop aus der Platte. Ein Gespräch mit Joe Rilla
Ralf Fischer / Junge Welt
Der Rapper und Produzent Joe Rilla
wurde im Januar 1975 als Hagen Stoll geboren und wohnt heute
außerhalb Berlins
RF: War Rap ein Thema, damals in der DDR?
JR: In erster Linie lief das über das
Jugendradio DT64, über André Langenfeld, der amerikanischen Rap im
Radio gespielt hat. Und dann kam im Osten 1987/88 die
Electric-Beat-Crew-Welle. Die haben angefangen, Rap in der DDR zu
produzieren und waren mit der Breakdance-Szene eng verknüpft. Wenn
die im Palast der Republik irgendwelche Jams gemacht haben, dann
waren auch so Berliner Jungs wie Downtown Lyrics dabei. Und da habe
ich das erste Mal etwas von der ostdeutschen HipHop-Szene
mitbekommen. Daraus sind dann Freundschaften entstanden. Ich hab
nachher auch angefangen, Wände zu besprühen und ein wenig zu
rappen. Wir haben uns gegenseitig die Skills beigebracht.
Hast du auch gebreakt?
Nee, ich war eher der Sprüher.
Sportlich war ich nicht so fit. In der Graffitiszene war ich bis 1995
aktiv und hab dann erst erkannt, daß ich aus der Illegalität raus
will. Irgendwann haben mich dieses ständige Wegrennen und die
Hausdurchsuchungen derart genervt, daß ich aufgehört habe.
Drag-Q meint in einem seiner Songs,
eine Jugend im Osten ist mehr als eine Jugend ohne Südfrüchte.
Ich versteh schon, was Drag-Q damit
meint, aber ist ja nicht so, daß wir keine Südfrüchte hatten –
in Berlin hatten wir welche. Wir müssen bei der Wahrheit bleiben und
zugeben, daß wir in Ostberlin auch Bananen und Mandarinen hatten,
sämtlichen Schnickschnack...
Im Rap sah ich nie einen politischen Hintergrund, für mich war der kreative Flash ausschlaggebend. Als ich nach der Wende nach Westberlin rüber kam und die ganzen Graffitis sah, war das für mich ein übergeiler Input. Kapitalismus hat mich gar nicht interessiert, ich wollte geile Pieces sehen. Und wenn du dann welche von AMOK gesehen hast, dann war das so: Alter, was ist denn jetzt los! Ich bin da extra rübergefahren, um mir die Mauer von der anderen Seite anzugucken, und bin da hoch und runter gelatscht und habe Bilder gemacht.
Meine Eltern sind damit recht cool umgegangen, die haben mich machen lassen. Ich bin nie abgehauen von zu Hause wegen der Sprüherei, meine Mutter wußte bescheid. Sie hat gesagt, paß auf dich auf – das war mir immer im Ohr.
Im Rap sah ich nie einen politischen Hintergrund, für mich war der kreative Flash ausschlaggebend. Als ich nach der Wende nach Westberlin rüber kam und die ganzen Graffitis sah, war das für mich ein übergeiler Input. Kapitalismus hat mich gar nicht interessiert, ich wollte geile Pieces sehen. Und wenn du dann welche von AMOK gesehen hast, dann war das so: Alter, was ist denn jetzt los! Ich bin da extra rübergefahren, um mir die Mauer von der anderen Seite anzugucken, und bin da hoch und runter gelatscht und habe Bilder gemacht.
Meine Eltern sind damit recht cool umgegangen, die haben mich machen lassen. Ich bin nie abgehauen von zu Hause wegen der Sprüherei, meine Mutter wußte bescheid. Sie hat gesagt, paß auf dich auf – das war mir immer im Ohr.
Das erste Aufeinandertreffen von
ostdeutschen Rappern und der Westberliner Szene Anfang der 90er Jahre
in Kreuzberg war ziemlich ernüchternd. Die Party mußte von der
Polizei beendet werden. Warst du damals dabei?
Nee, aber ich habe so etwas auch
erlebt. Die Kreuzberger haben immer ihren Bezirk verteidigt – vor
was auch immer. Aber im Endeffekt ging es immer um Berlin. Diese
Zugehörigkeit war für uns Ostberliner auch cool. Ich glaube, es hat
sich dann sehr schnell wieder eingerenkt. Klar haben die Westberliner
erst einmal gezeigt, ey, das ist unser hier, das ist Westberlin.
Und jetzt bist du beim Label Aggro
Berlin gelandet und hast gleich Furore gemacht. Auf Youtube wurdest
du als »Rapnazi« bezeichnet. Wie gehst du damit um?
Früher habe ich mich darüber noch
geärgert, als mein Album zwei Monate raus war und ich mir so eine
Scheiße anhören mußte. Obwohl ich auf dem Album sage, daß mich
Neonazis wegen meiner »Negermusik« in den Bordstein beißen ließen.
Ich habe mitbekommen, daß die Leute es gern hätten, daß ich der
Nazi bin.
Weil ich alle Klischees erfülle: weil ich aus dem Osten
komme, weil ich ne Glatze habe und weil ich eine Bomberjacke anziehe.
Am wichtigsten ist aber, daß ich es besser weiß, daß es natürlich
nicht so ist. Wenn sich 500000 Menschen mein Video »Der Osten rollt«
auf Youtube anschauen und davon 200 irgendeinen Quatsch über
Rechtsradikalismus schreiben müssen, dann hat es keine Relevanz für
mich. Auf meinem neuen Album »Deutsch-Rap-Hooligan« sage ich, daß
ich der Rapper bin, von dem sie gerne hätten, daß er der Nazi wär.
Aber warum ist das so?
Ich glaube nur wegen dem Äußeren.
Wenn ich eine andere Visage hätte, dann wäre es vielleicht etwas
anderes. Vielleicht sehe ich auch aus wie ein stumpfer Idiot, kann ja
sein, ich weiß es nicht. Auf »Deutsch-Rap-Hooligan« habe ich das
Männchen auf dem Cover, das das Hakenkreuz in einen Mülleimer
entsorgt. Ich höre und mache Musik, die in den Ghettos von Amerika
erfunden wurde. Ich kooperiere mit einem Label, das multikulturell
aufgestellt ist und bin alles in allem ein toleranter Mensch, was
soll also dieser Schwachsinn? Nur weil ich aus Marzahn komme?
Gut möglich.
Aber dann haben die anderen Vorurteile
und machen sie zu meinem Problem. Ich identifiziere mich mit Marzahn,
so wie sich andere mit Kreuzberg identifizieren. Nur komme ich nun
einmal nicht aus Kreuzberg. So einfach ist das.
Könnte es auch daran liegen, daß
viele die Subkultur der Hooligans in einen Topf mit Neonazis stecken?
Kann sein. Wenn du darüber urteilst,
was ein Mensch sein könnte oder nicht, dann mußt du im Umkehrschluß
auch dazu bereit sein, dich darüber zu informieren, ob das auch
stimmt. Ein Hooligan hat mal zu mir gesagt: »Ey, die Leute verstehen
nicht, warum wir uns die Schädel einhauen, warum wir unsere Grenzen
austesten, warum wir auf der Suche nach dem ultimativen Adrenalinkick
sind und warum wir unsere Männlichkeit zelebrieren. Genauso kann ich
nicht verstehen, wie jemand sich zehn Stunden an den See setzt und
angelt.« Ich kann es auch nicht verstehen, aber ich verurteile
niemand deswegen und sage »ich hasse alle Angler«.
Von der Sache her ist der Hooliganismus eine sehr faire Angelegenheit. Jemand, der sich in diesen Kreisen bewegt, weiß, worauf er sich einläßt. Ich glaube, wenn nur ein Bruchteil der Leute, die mit Aggressionen und Frustrationen durch die Gegend laufen, mal zur dritten Halbzeit gehen würde, dann wäre denen schon geholfen.
Von der Sache her ist der Hooliganismus eine sehr faire Angelegenheit. Jemand, der sich in diesen Kreisen bewegt, weiß, worauf er sich einläßt. Ich glaube, wenn nur ein Bruchteil der Leute, die mit Aggressionen und Frustrationen durch die Gegend laufen, mal zur dritten Halbzeit gehen würde, dann wäre denen schon geholfen.
Ist Hoolsein auch Sport?
Genau, es ist ein Mannschaftssport. Du
könntest auch einen Riesenboxring aufstellen, sobald jemand in die
Knie geht, läßt du ihn in Ruhe, das ist doch fair.
Und danach hilft man ihm auf, und geht
gemeinsam einen trinken?
So sieht’s aus! Ich rede von meiner
Gegend und den Problemen die wir dort haben, das muß verstanden
werden. Ich habe immer das Gefühl, daß die Rapper, die Medien und
die Politiker die Intelligenz der Kids unterschätzen. Die Kids sind
nicht bescheuert, die Eltern sind bescheuert, jedenfalls zum
Großteil. HipHop war für mich immer ein Spielplatz. Weil ich mich
da austoben kann.
Joe Rilla: »Deutsch-Rap-Hooligan«
(Aggro Berlin)
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